Diversity im Spielzimmer

Spiele und Spielzeug, die Flagge zeigen

31. Mai 2022, WDR 5 Neugier Genügt, 10 Uhr

Link zum Podcast (bis 30.5.2023)

Puppe mit Downsyndrom, rund 30 Zentimeter groß, schwarz und behindert.
Puppe mit Downsyndrom © CF

TRUMPF MIT PROTHESE

Puppe mit Hautkrankheit? Schwarze Paperdolls? Keine Barbie? Doch, im Rollstuhl. Diversity ist das Zauberwort. Da sind zum Beispiel Puppen, die sich in der Physiognomie ähneln mit zumeist Lidfalten, die nach außen schräg ansteigen. Sie repräsentieren Kinder mit Downsyndrom, einem angeborenen Gendefekt (Trisomie 21). Sprachtherapeutin Katerina Katsatou und die Spielzeugforscher:innen Volker Mehringer und Wiebke Waburg begrüßen den Trend. Vielfalt fegt Vorurteile aus den Köpfen, sagt die Forschung.

Seit gut 20 Jahren geistert Diversity durch die bundesrepublikanische Gesellschaft. Große Konzerne, kleine Firmen schreiben sich Vielfalt auf die Fahnen. Auch in Spielzimmern ist Diversity der Joker. Allerdings legt ihn die Spielzeugindustrie nur zögerlich auf den Tisch. Es besteht kein Zweifel daran, dass Spielmaterialen helfen, die Welt zu begreifen.

© CF

Seit Jahrtausenden fallen Würfel, wird Dame gespielt, Mühle, Schach. Schafft es ein Bauer auf die gegnerische Seite, aufs magische, achte Feld, wandelt er sich bei Bedarf in eine Königin. Sie ist schön, stark, Transgender. Doch die Macht liegt in den Händen eines Mannes. Fällt der König, ist das Spiel aus, auch für die Queen. Die Hierarchien sind klar gesetzt. 

Rolemodels: Finn (li) Drachenflieger, und Sammi (Schulreporter) © CF

Doch das Blatt wendet sich. Junge Verlage und Spieledesigner:innen kreieren Puppen, die spielerisch und phantasievoll Gender, Rassismus, Diskriminierung aufs Korn nehmen. Da sind Figuren mit Blindenstock, schwarze Großeltern, Puppen jenseits von Blau und Rosa. 

Kids‘ voices matter: Klimakativistin Meg © CF

Da ist Meg. African American. Neun Jahre alt. Schwarzes Haar. Shorts, Megafon, Plakat. Das Vorbild ist Mari Copeny (*2007), eine blutjunge Klimaaktivistin aus Michigan, die mit acht Jahren begann, gegen Wasserverschmutzung zu kämpfen. 2044 will, nein, wird sie ins Weiße Haus einzuziehen, als Präsidentin. Denn sie kann werden, was sie will. 

Yalda Kouhi Anbaran (Spieleentwicklerin) © Privat

Ich kann werden, was ich will heißt das Berufe-Memory-Spiel von Yalda Kouhi Anbaran. Geboren im Iran, am Kaspischen Meer, studiert sie in Karadsch, 40 km westlich von Teheran, Elektrotechnik, lernt ihren späteren Mann kennen und migriert mit ihm nach Deutschland. In einer Firma für Antriebe und Batterie-Systeme für Züge ist die Elektrotechnik-Ingenieurin Teamleiterin. In ihrer Schwangerschaft und Elternzeit entwickelte sie das Memory. Der Zeichner Maneis stammt ebenfalls aus dem Iran. 

Memory Ich kann werden, was ich will © CF

Die Bild-Paare zeigen unterschiedliche Menschen im gleichen Beruf. De schwangere Ingenieurin (Karte in Bildmitte) zeigt die Spieleentwicklerin selbst. Das Mathematikpaar vor der Tafel zeigt zwei Menschen, die es so wirklich gibt. Sie zeigen die iranische Wissenschaftlerin Maryam Mirzakhani (Karte li u.) und ihren Kollegen aus Bonn Peter Scholze (Karte li über Frau mit kurzen schwarzen Haaren). Beide erhielten die höchste Mathematikauszeichnung, die Fields-Medaille. Maryam Mirzakhani ist 2017 mit nur 40 Jahren gestorben. Geschichten, die den Bildern eingeschrieben sind, die erzählt werden können, aber nicht zwingend erzählt werden müssen. 

Spielerinnen holen die Karten aus dem Karton der kleinen Firma Spielköpfe
Altes Spiel, neue Bilder: Das Romméblatt der Spielköpfe aus Kiel © CF

Die Karten werden neu gemischt. Jana und Sam gründen die Spielköpfe, engagieren Künstler:innen, Rommékarten & Co. ein anderes Image zu verpassen. Schluss mit den immer weißen Buben, Damen, Königen und den immer männlichen Spitzenpositionen. Wir sehen diverse Köpfe, Männer, Frauen, uneindeutig. Einige tragen Prothesen, so auch die Entwürfe von Amie Savage.

Mundmalerin Amie Savage liegt auf dem Bett, vor ihr das Zeichenpad, auf dem sie mit dem Stift drüber fährt. Die Bewegungen werden auf den Computer übertragen.
Amie Savage (Künstlerin, Mundmalerin) © CF

„Ich bin Schwarz und behindert.“ Ihre Bilder malt Amie Savage mit dem Mund, unter anderem die Ikonen auf dem Romméblatt. Auch für das neue Projekt von Spielköpfe wurde Amie Savage engagiert, diverse Kicker:innen-Figuren. 

Im Innern von Diversity is us: Regale bis unter die Decke mit Puppen und Spielen, ein gemütlicher Sessel am Fenster, der Schreibtisch im Vordergrund.
Diversity is us: Spezialgeschäft in Niederkassel © CF

Wer mehr Vielfalt in den Spielzimmern haben will, wird ganz sich nicht in den Mainstream-Läden fündig. Das Memory, die Spielkarten, die Figuren wie Meg, Puppen mit Behinderung gibt es in einem Spezialgeschäft in Niederkassel zwischen Köln und Bonn. Diversity is us, wurde von Oda Stockmann geründet.

Oda Stockmann sitzt auf einer hellblauen Bank vor dem Schaufenster des Spielzeug- und Spielegeschäfts in Niederkassel. An der Tür steht eine Dropflag, auf der die Ladeninhaberin zu sehen ist, als stilisierte Figur
Oda Stockmann vor ihrer Wunderkammer. © CF

Oda Stockmann ist Diversity-Beraterin und Sensitivity-Readerin. Seit 2017 betreibt sie einen Onlineshop für Geschenkartikel, Spiele und Bücher und seit 2021 das Ladenlokal in Niederkassel; und sie sucht weltweit nach Spielmaterialien, die vielfältig sind, Spaß machen und ganz nebenbei zu denken geben.

Dreigeteilte Figuren, deren Teile per Magnet beweglich sind. Ein Kopf mit Bart kann auf einen Körper mit Bluse geklickt werden
My Familybuilders: Per Magnet Gestalten ändern und Familien bauen © CF

Themen wie Gender, Rassismus, Diskriminierung werden spielend in die Tasche gesteckt, ohne große Worte zu verlieren. 

Bei Oda Stockmann habe ich ausgiebig gestöbert und gestaunt, zusammen mit meiner Partnerin. Als Sprachtherapeutin in einer inklusiven Kita hat sie den Shop für sich entdeckt. 

Mit den Wissenschaftler:innen Volker Mehringer und Wiebke Waburg sprach ich über die Bedeutung von mehr Vielfalt in den Spielzimmern, über das, wofür Spielzeug wichtig ist, über die Monokultur der Spielwarenindustrie.

Zwei Kartenspielerinnen spielen ihren Trumpf aus, klitschen Karten im wahrsten Sinne des Wortes
© CF

Mit einer wunderbaren Familie saßen wir am heimischen Tisch und haben gespielt. Mit zwei Freundinnen erpuzzelten wir einen ganzen Kontinent und testeten die Rommékarten. Ich habe verloren. Neues Spiel, neue Zukunft. 

Shop – Diversity is us

Inhaberin: Oda Stockmann

Oberstr. 34, 53859 Niederkassel

Memory- Ich kann werden, was ich will

Idee und Entiwicklung: Yalda Kouhi Anbaran/ Zeichnungen: Maneis Tehrani

Tischkicker mit diversen Figuren von den Spielköpfen
Kickerfigur 16 stammt von Amie Savage © CF

Karten und Kicker – Spielköpfe

Gründerinnen: Jana Fischer und Samantha Schwickert

Kuhnkestr. 6, 24118 Kiel

Portrait der Mundmalerin Amie Savage
© CF

Amie Savage

Mundmalerin/ Zeichnerin für Spielköpfe

© CF

Very Puzzled

den Kontinent Afrika per Puzzle entdecken

Entwickler: Patrick Adom

My Familybuilders

Per Magnetblöcke Köpfe verdrehen, Familien bauen, Stereotype aufbrechen

Happy Family Game: Quintett, das die Diversität feiert

Volker Mehringer

Akademischer Rat als Lehrkraft für besondere Aufgaben

Wiebke Waburg

Professorin (Institut für Pädagogik – Abteilung Pädagogik) 

Sozialpädagogische Forschung

Katerina Katsatou und Olaolu Fajembola (v. li.) sind im Ulla Hahn-Haus zu sehen
Im Ulla Hahn-Haus (Monheim): Sprachtherapeutin Katerina Katsatou (re.) zeigt die schwarze Heroine von Susann Bee, in einer Veranstaltung, in der Olaolu Fajembola (li.) aus ihrem Spiegelbestseller Gib mir mal die Hautfarbe liest.

Literatur

Mehringer, Volker/ Waburg, Wiebke (Hg.): Spielzeug, Spiele und Spielen. Aktuelle Studien und Konzepte. Springer Verlag. Wiesbaden 2020

Fajembola, Olaolu/ Niminde-Dundadengar, Tebogo: Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen. Beltz Verlag 2021

Bee, Susann: Zoey die Superheldin. Oh je, eine Spinne – Zoey the Superhero/ Oh No, a Spider: Bilingual English German

© CF

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