Gasometer Oberhausen

Ein Herz aus Stahl

WDR 3 Mosaik, 10.8.2022, 8 Uhr

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Ein Polygon mit Stahlmantel in Druntersicht
Scheibengas-Behälter: 117 Meter hoch, 67 Meter Durchmesser, 24 Ecken © CF

Der Riese am Kanal ist ein Star unter den Industriebauten, eine Architektur der Superlative. Der Gasometer gilt als der höchste Bau in Oberhausen und die höchste Ausstellungshalle in Europa. Ein Wahrzeichen der Zechenstadt.

Runde Krone auf dem leicht gewölbten Stahldach
Krönender Abschluss: Die Lüftungshaube, auch „Rotunde“ genannt, ist in der Mitte offen, damit die Luft zirkuliert © CF

Dabei wäre der Gasometer beinahe abgerissen worden, Ende der 1980er Jahre. Zeche und Kokerei sind geschlossen. Wozu Gas speichern, wenn es nicht mehr gebraucht wird? Es gab ein paar Ideen: Parkhaus, Hochregallager, Indoorgolf. Doch wer will schon eine alte Konservendose mit so viel Luft nach oben? 100 Meter Nichts muss gekonnt bespielt werden.

Eine Frau vor einer Stahlwand, die genietet ist
Zusammengenietet: Jeanette Schmitz steht an der Rotunde auf dem Dach © CF

Dem Team um Jeanette Schmitz gelingt das seit 1994 hervorragend. Ausstellungen mit Themen um Natur, Klima, Weltraum lassen die Menschen zum Polygon am Rhein-Herne-Kanal pilgern. Erbaut Ende der 1920er Jahre diente er als Gasspeicher.

Eine weite Landschaft mit Bäumen, Feldern, Schienen und Förderturm
Blick aufs Zechengebiet in Osterfeld © CF

Gas aus den umliegenden Kokereien und Hochöfen wird über Rohre in den Behälter gepumpt. Sein Herz ist eine 600 Tonnen schwere Stahlscheibe, die je nach Gasmenge auf- und abfährt.

Das Detail einer Stahlscheibe
Die Stahlscheibe (Baujahr 1929) schwimmt auf dem Gas. Heute ist sie fixiert und wird von Stahlsäulen gestützt © CF

Für das Gas allerdings sind 600 Tonnen ein Leichtgewicht. Also kommen schmale Betonquader auf die Scheibe. Gemeinsam wiegen sie das Doppelte, immer noch leicht genug, dass das Speichergut die Last nach oben drücken kann.

drei Betonquader liegen nebeneinander im Kunstlicht
Betonquader beschweren die Scheibe. Rund 1200 Tonnen komprimieren das Gas. © CF

Zapfen umliegende Industrieanlagen den Speicher an, fließt das Gas durch ein Ventil ins Rohr. Anfang der 1990er Jahre wandelt der Architekt Jürg Steiner den Gasspeicher in einen Kunsttempel. Sparsam sind die Eingriffe, so dass nach wie vor zu sehen ist, wofür das Polygon mit seinen 24 Ecken steht.

Füße auf einer Stahlplatte
Ein Öl-Teergemisch lief ständig an der Innenwand herab und dichtete die Scheibe ab, ein sogenanntes nasses Abdichtungssystem (1915 patentiert). Arbeiter:innen liefen auf der Scheibe in Frischluft. © CF

Der Höhepunkt der Ausstellungen ist natürlich die Installation im leeren Luftraum. Die aktuelle zeigt die Erde in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung, angefangen vom Urkontinent bis hin zu Meeresströmungen und der menschlichen Fortbewegung zu Luft und Wasser.

Die Erdkugel von oben in einem Zylinder aus Stahl
Blick von oben auf die Erdkugel © CF

Das Deutsche Zentrum für Luft – und Raumfahrt sammelt sämtliche Daten, unter anderem die Bewegungsdaten vom weltweiten Flug- und Schiffsverkehr, die per Beamer und einer irrsinnig hohen Auflösung auf den Ballon (Durchmesser: 20 Meter) projiziert werden.

Auf einer Bühne steigt der Publikumsraum an wie ein Amphitheater. Auf den Stufen sitzen Treppen. Über der Bühne ist ein Teil der Erdkugel zu sehen
Blick von unten: die Manege im Gasometer © CF

Wir sitzen auf Kissen und betrachten die Erde, wie sie durch den Luftraum des Gasometers schwebt, ein Sinnbild es Titels der Ausstellung: Das zerbrechliche Paradies.

Eine Frau steht im Profil an einem Geländer und blickt in die Landschaft
Jeanette Schmitz an einem der Fenster zum Ruhrgebiet © CF

Jeanette Schmitz, die Geschäftsführerin der Oberhausen GmbH, schlenderte mit mir vom Fundament bis aufs Dach.

Blick vom Dach auf den Rhein-Herne-Kanal und die Emscher © CF

Gasometer Oberhausen

Arenastr. 11, 46047 Oberhausen

Besucherin in einer Ausstellung, die sich mit der Klimageschichte auseinandersetzt. Großformatige Fotografien, 3D-Objekte, Hologramme, Installationen, Comics, Fundstücke zeigen die Schönheit, aber auch die Zerstörung. © CF

Das zerbrechliche Paradies

Bis 30.12.2022/ Gasometer Oberhausen

KATALOG

Schmitz, Jeanette (Hg.): Das zerbrechliche Paradies. Klartext Verlag. Essen 3/ 2022

LITERATUR

Gilson, Norbert: Der Gasometer Oberhausen. (reihe Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst. Band 25.) Bundesingenieurkammer. Berlin 2019.

Neuer Anstrich – alter Farbton aus dem Jahr 1949: Gasometer-Rot. Das Fundament ist eine dicke Betonscheibe. © CF

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Ein Kommentar zu „Gasometer Oberhausen

  1. Tolle Sache wenn ein Gasometer eine neue Bestimmung findet 👍 Ich bin gespannt, was mit dem Stuttgarter Gasometer passiert, nachdem er im letzten Jahr ganz stillgelegt wurde.

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