Der KlangSammler

Wie Alex Hardt Soundwelten bewahrt

WDR 3, TonArt, 24.3.2023, 14 Uhr bis 17.45 Uhr

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Die Collage zeigt Alex Hardt in verschiedenen Aktionen. Er steht vor der Steinkohlezeche Ibbenbüren, hält das Mikro in der Hand. er steht an der Startbahn von Düsenjägern, vor einer Mauer aus Feldsteinen, vor Seecontainern, in einem Keller, auf einem regennassen Asphaltplatz
Alex Hardt in Action: Steinkohlezeche Ibbenbüren, Startbahn von Eurofightern, Feuerwerksfirmen Nico und Weco, Hafen Duisburg Ruhrort, Gierseilfähle Bolte, verlassenes Kloster Boppard © Collage CF

Alex Hardt ist Hüter einer Bank, einer Sounddatenbank. Reich an Klängen, Geräuschen, Tönen. Gesammelt im urbanen Raum, unter Tage, auf Brücken-Pylonen und einsamen Feldern. Handverlesen. 

Gemeinsam besuchen wir Tropfsteinhöhlen, verlassene Klöster, Villen im Verfall. Alex nimmt das Brizzeln eines Streichholzes auf, den ohrenbetäubenden Lärm eines Düsenjets beim Starten, das Gurgeln eines… Geistes in einem Lost Place. 

Die Collage zeigt Alex Hardt auf einer Gierseilfähre, im Studio zu Hause, an einem Stapel von Containern, im WDR Studio mit dem Rücken zur Betrachterin, auf einem Asphaltplatz in einer Feinstaubwolke von abgebrannten Feuerwerkskörpern
Alex Hardt still in action © CF

Sounds sammeln und bewahren: Damit nachfolgende Generationen eine Ahnung davon kriegen, wie Förderkörbe ins Bergwerk einfahren und Lokomotiven Dampf ablassen. Alexander Hardt ist so ein Soundsammler. 

Sie haben eben Charakter, sagt der Sounddesigner Alexander Hardt. Die Geräte sind vergangen, doch die Geräusche sind da, abrufbar als Apps. 

Die Collage zeigt Alex Hardt auf einer Weise aus dem Bild rennend, auf einem Pylon vor der Kulisse des Rheins, in einem mit Kunstlicht beleuchteten Tunnel, auf einer Wiese bengalisches Feuer zündend
Auf einer einsamen Wiese * in einer Tropfsteinhöhle * an einer Autobahnbrücke * Auf einem Pylon © CF

Mit Alex Hardt cruise ich durch seinen immateriellen Schatz, eine Library voller Töne und Geräusche, ein schillerndes Klangarsenal der Vergangenheit. Und wir erinnern uns an gemeinsame Ausflüge in Brückenkästen, Tropfsteinhöhlen, Bergwerken, Lost Places, Feuerwerksmanufakturen, auf Gierseilfähren und Hafengeländen …

Alex Hardt

Tone Glow Libraries

Alex Hardt sitzt auf einem Tisch. Links neben sich Gitarrenhals und Steg einer e-Gitarre. Rechts stützt er seine Hand auf einem Modular-System. Er hält die Augen geschlossen und trägt eins schwarzes T-Shirt
Soundmagier Alex Hardt © CF

Bodi

Frühes Mittelalter im LVR-LandesMuseum Bonn

TITELBILD

Goldener Fingerring aus Grab 39, Bislich, Merowingerzeit. Foto: L. Kornblum © LVR-LandesMuseum Bonn

WDR 3, Mosaik, 23.3.2023, 8 Uhr

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Das Bild zeigt eine Goldschmiedearbeit. ein kreisrundes Medaillon mit lamellenartigen Ornamenten. Acht treppenartige Anhänger liegen separat auf der weißen Fläche. Zwei Tropfen haben rote Edelsteine angefasst. bei den anderen Steinen ist nur das Gold zu sehen, die Edelsteine fehlen.
Goldene Fibel und Münzanhänger, Grab 21, Bislich, Merowingerzeit. Foto: J. Vogel © LVR-LandesMuseum Bonn

Das Leben des Bodi. Eine Forschungsreise ins frühe Mittelalter. Unter diesem Titel präsentiert das LVR-LandesMuseum Bonn Grabfunde vom Niederrhein und anderen europäischen Orten. Splitter, Edelmetalle, Eisenreste erzählen von fränkischen Menschen im 6. Jahrhundert diesseits und jenseits des Rheins. 

Vier silberne Beschläge liegen auf der weißen Fläche. Sie sin sehr fein ziseliert. Alle vier Beschläge sind mit Edelsteinen verziert.
Beschläge des Spathagurts (Spath – zweischneidiges Schwert) von BODI, Grab 39, Bislich, Merowingerzeit. Foto: J. Vogel © LVR-LandesMuseum Bonn

Im Zentrum steht Grab 39. Vor 1500 Jahren wurde in der Kammer rund anderthalb Meter unter der Erde ein Mann bestattet namens Bodi. Der Name „Bodi“ ist in seinen Siegelring graviert (siehe Titelbild).

Wer war Bodi? Sprach er neben Westgermanisch auch Latein und Romanisch? Kannte er Konstantinopel, das Zentrum Ostroms? War er Christ wie Chlodwig, der Begründer des Fränkischen Reiches?

Zu sehen sind spitze Dächer, Baumkronen und die Kirchturmspitze nebst Langhaus der St. Johanneskirche. Vom Kirchturm weht eine gelb-blaue Fahne. Der Himmel wirkt dramatisch durch seine hellen und dunklen Haufenwolken
Blick vom Deich auf die St. Johannes Kirche in Bislich © CF

Vor 50 Jahren wurde sein Grab entdeckt, in Bislich nahe eines Rheinaltarms. Neben knapp 900 weiteren Gräbern. Und jetzt bekommen wir die Funde zu sehen. Gesäubert, restauriert, rekonstruiert.

Der Lamellenpanzer zum Beispiel ist eine erlesene Schmiedearbeit. Der Ursprung liegt vermutlich in Zentralasien. Hinter den hunderten Rostklumpen im Grab 39 verbirgt sich eine äußerst rare und kostbare Beigabe. Vielleicht hat sie ihr Träger in einer Schlacht erbeutet.

Ein junger Mann steht mit dem Gesicht zur Betrachterin. Er trägt das Kleidungsstück. Der Panzer reicht bis zu den Knien und besteht aus Eisenlamellen, die in helles Leder gefasst sind.
Rekonstruktion von BODIs Panzer aus Grab 39, Bislich. Herstellung: Monika & Alexander Zimmermann, Foto: J. Vogel © LVR-LandesMuseum Bonn.

Alexander Zimmermann schmiedete die 1200 Lamellen und verwendete dabei Techniken, Eisenzusammensetzungen wie vor 1500 Jahren. Seine Frau Monika Zimmermann übernahm die Lederarbeiten.

Ein Krieger steht in einer stilisierten Landschaft. Er trägt einen goldenen Helm, einen blauen Umhang, den Lamellenpanzer. Er trägt einen Waffengürtel, an dem ein Schwert hängt. In der einen Hand hält er Schild und Speer, von der anderen die Zügel. Das weiße Pferd steht neben ihm.
Digitale Rekonstruktion von BODI. © Benoît Clarys

Bodi ist die Hauptfigur der Ausstellung im Bonner Landesmuseum. Ein stattlicher Mann mit Lamellenpanzer, das Schwert im edelsteinbesetzten Ledergurt, den Siegelring am rechten Finger, Pferd am Zaumzeug. Reine Spekulation.

Eine Auenlandschaft unter einem bewölkten Himmel: Wiesen, Wasser, hohes Gras und kleine dichte Bäume. Am Horizont ragen zwei Kirchtürme heraus. Links im Bild bewaldete Höhenzüge am Horizont
Bislich. Blick über die Rheinauen gen Xanten © CF

Aber es könnte sein, dass er am Ostufer des Rheins steht und auf die verlassene Stadt am gegenüberliegenden Ufer schaut, auf die verfallenen Häuser der Colonia Ulpia Traiana, einer römischen Gründung im äußersten Norden der einstigen Supermacht.

Im vierten Jahrhundert hatten Bodis Landsleute die Stadt, die heute Xanten heißt, eingenommen und einige Jahrzehnte später wieder verlassen.

Ich sprach mit Elke Nieveler, einer der Kurator:innen der Ausstellung. Sie ist Mitherausgeberin des Katalogs, der bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt veröffentlicht wurde. Der ist auf jeden Fall lesenswert. Mit Fotos, Zeichnungen und Karten. 

AUSSTELLUNG

Das Leben des Bodi. Eine Forschungsreise ins frühe Mittelalter

LVR-LandesMuseum Bonn: Colmantstr. 14–16, 53115 Bonn 

KATALOG

Elke Nieveler, Michael Schmauder, Thorsten Valk (HG.): Das Leben des Bodi. Eine Forschungsreise ins frühe Mittelalter. Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG). Darmstadt 2023

Das Buchcover zeigt die Schmuckplatte eines Goldrings. Links im Bild ist der name eingraviert: "Bodi". Zentral ist das Antlitz eines menschen zu sehen.
Katalog © Rechte: wbg Theiss. Darmstadt 2023

Ilse Losa

Worte…frei wie Vögel 

Berühmt in Portugal & noch zu entdecken in Deutschland

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Straßenkreuzung (T-Kreuzung) Ein kleiner Asphaltweg führt zum rechten Bildschirmrand. Die Straßen führen durch Wiesen und Felder. An der kleinen Straße steht ein Straßenschild "Ilse-Losa-Weg"
Ilse-Losa-Weg in Buer bei Osnabrück. © CF

Ilse Losa. Schriftstellerin

* 20. März 1913 in Buer bei Melle † 6. Januar 2006 in Porto (Portugal)

Das schwarz Weiß Fotozeigt Ilse Losa in der Halbtotale. Ilse Losa (76) sitzt im Halbprofil auf einem Gartenstuhl, den Blick in Richtung Kamera gewandt. Der Stuhl steht vor einem Balkongerüst aus Holzstreben. Dahinter sind Einfamilienhäuser und Bäume zu sehen.
Ilse Losa in Buer 1986 © Stadt Melle/ Foto: Doris Horst

Ilse Losa ist Jüdin, Exilantin, Schriftstellerin. Seit 1934 bis zu ihrem Tod im Jahr 2006 lebt sie in der Hafenstadt Porto. Ihre Romane und Kinderbücher verfasst sie auf Portugiesisch. Mit Erfolg. In ihrem Wahlland gehört Ilse Losas Werk zum Schulkanon. In ihrem Herkunftsland dauert es vier Jahrzehnte, bis ihr Erstling O mundo em que vivi (Die Welt in der ich lebte) in einer deutschen Übersetzung vorliegt. 

Im vorderen teil des Bildes, untere Hälfte umläufen Garaganreihen einen Hof. In der oberen Hälfte ist ein Haus mit einem mit Ziegeln gedecktem Dach zu sehen.
Melle-Buer: An Stelle der Garagen stand das Haus der Großeltern Lieblich. Hier verbrachte Ilse Lieblich die erste sechs Jahre © CF

In Melle-Buer bei Osnabrück wird Ilse Lieblich geboren, am 20. März 1913. Sie wächst in einem assimilierten jüdischen Elternhaus auf. Der Vater stirbt früh. Die Tochter bricht die Schule ab und beginnt eine Ausbildung in einem Krankenhaus in Hannover.

In einer roten Ziegelsteinmauer ist eine Haustür aus Holz mit Oberlicht eingelassen.
Melle zwischen Bielefeld und Osnabrück: Original-Eingangstür zum umgebauten Elternhaus © CF

Als die Nazis an die Macht kommen. In einem Brief an eine Freundin nennt Ilse Losa Kanzler Hitler einen Verbrecher. Der Brief wird abgefangen. Nach einem stundenlangen Verhör besorgt sich die 20Jährige eine Schiffspassage und flieht an den Rand Europas, ins faschistische Portugal.

In einem Café in Porto lernt die junge Exilantin den angehenden Architekten Arménio Losa kennen, 1934. Mit der Heirat ein Jahr später erhielt sie nicht nur seinen Namen, sondern auch die portugiesische Staatsbürgerschaft.

1949 erscheint der erste Roman, in dem ihre Kindheitserinnerungen einfließen und der mit der Flucht endet. Weitere Romane und 21 Kinderbücher folgen.

Ihre Texte sezieren den Alltag in Portugal, handeln von Menschen auf der Flucht, von starken Mädchen und Umweltthemen. Für ihr Werk erhält Ilse Losa 1991 das Bundesverdienstkreuz.

Am 6 Januar 2006 stirbt Ilse Losa in Porto. In Portugal ist ihr eine Briefmarke gewidmet, in Buer ein 150 Meter langer Asphalt-Weg zum jüdischen Friedhof.

Grabsteine mit hebräischen Inschriften stehen auf der Wiese vor hohen Bäumen.
Melle-Buer: 46 Gräber überstanden die Schändung in der Zeit des Nationalsozialismus. Mehr als 50 Steine wurden für das Pflastern von Hofräumen benutzt. © CF

In den 1990er Jahren erscheinen die ersten Übersetzungen. Höchste Zeit, ihr Œuvre in Deutschland bekannter zu machen. „Wir träumen, als wären wir aus dem Licht gekommen.“

In Melle graben Irene Below, Barbara Daiber und Angela Kemper nach und nach Mosaiksteine aus und vervollständigen das Bild der Schriftstellerin. Ein Fundstück ist die Passagierliste, die zeigt, wann und mit welchem Dampfer Ilse Lieblich nach Portugal floh. Sie sichten Briefe, kümmern sich um Übersetzungen und suchen Verlage. 

Die drei Forscherinnen gründeten den Initiativkreis frauenOrt Ilse Losa * Melle. Geplant ist ein literarisch-biographischer Weg durch Melle und Buer.

Ehemalige Synagoge in Buer: Als zu wenige zum Beten kamen, wurde das Gebetshaus aufgegeben. Danach zog ein Viehhändler in das Gebetshaus. Heute ist es Geschäft und Wohnung. © CF

Audiostationen stehen an verschiedenen Orten in Melle und Buer, die in Ilse Losas Leben eine Rolle spielten: die Synagoge und das Haus der Großeltern in Buer, das Elternhaus und die Grundschule im benachbarten Melle. Die Ort können erwandert oder erradelt werden. Am jeweiligen Ziel gibt es kleine Preziosen aufs Ohr. So der Plan, den die Initiative im März 2024 umsetzen will. Denn im März 1934 floh Ilse Losa aus Deutschland.

Ein Backsteinhaus steht etwas von er Straße zurückgesetzt. Vor dem Bau wachsen zwei Bäume. Im Giebel ist eine Turmuhr. Auf der Straße steht ein Auto.
Melle: Ilse Losa besuchte die Grundschule in dem Backsteinhaus (1875/76). Ist immer noch eine Schule. © CF

Ich hatte das Glück, die drei Forscherinnen zu treffen. Wir besuchten Ilse Lieblichs Geburtsort Buer und Melle, wo sie zur Schule ging. Wir saßen im Kulturzentrum Wilde Rose, einem verwunschenem Kreativanwesen im Wald, betrachteten Fotos, lasen in Büchern, aßen Köstlichkeiten und tranken Tee. 

Die Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof sind verwittert. Nur ein Stein ist jüngeren Datums. Auf dem Stein steht "Julius Lieblich".
Jüdischer Friedhof in Buer: Julius Lieblich, der Lieblingsonkel von Ilse Losa, überlebte KZ Buchenwald. Er wurde als Letzter hier bestattet. © CF

Gemeinsam mit meiner Frau besuchte ich den kleinen jüdischen Friedhof in Buer, an einem sanften Südosthang am Ende des Ilse-Losa-Weges. 

Katja Ruppenthal steht an der Studiotür im WDR. Vor einem runden Fenster. Neben der Tür an der Wand hängt ein Schild, auf dem mit roten Lettern steht "Ruhe". Katja Ruppenthal trägt ein weißes Hemd und hält die Arme verschränkt vor dem Körper.
Katja Ruppenthal (Sprecherin und Moderatorin) im WDR Funkhaus in Köln © WDR/ Sibylle Anneck

Katja Ruppenthal kleidet die geschriebenen Preziosen kongenial in Stimme.

Isabel Remer blickt frontal in die Kamera. Sie steht am linken Bildrand. Ihr Gesicht ist angeschnitten. Die zwei Drittel zum rechten Bildschirmrand hin zeigen eine Landschaft in Draufsicht. Zu sehen ist eine riesiger See, eingefasst von bewaldeten Hügeln.
Isabel Remer: Auf den Azoren (Portugal) © Jonas Grutzpalk

Isabel Remer übersetzte das gerade erschienene Bilderbuch Beatriz und die Platane. Für das Portrait spricht sie einige der Texte auf Portugiesisch, also der Sprache, in der Ilse Losa fast alle ihre Texte verfasste. 

LITERATUR

VON ILSE LOSA

BILDERBUCH

Beatriz e o Plátano (1978)/ Beatriz und die Platane. (Portugiesisch-Deutsch. Übersetzung: Isabel Remer. Illustrationen: Lisa Couwenbergh) www.oxalaeditora.com. Lünen 2022

Zwischen Ziegelsteinmauer und Hausmauer aus Feldsteinen und weißem Putz bilden die Begrenzung des kleinen Suttbaches.
Melle-Buer: Der Suttbach im Dorf ihrer Großeltern © CF

ROMANE

Die Welt in der ich lebte/ O mundo em que vivi (1949) (Übersetzung: Maralde Meyer-Minnemann und Ilse Losa.) Beck & Glückler Verlag. Freiburg 1990

Unter fremden Himmeln/ Sob céus estranhos (1962) (Ü: Ilse Losa) Beck & Glückler Verlag. Freiburg 1991

ERZÄHLUNGEN IN ANTHOLOGIEN

Ich liebe diese Felder. (Übersetzung: Elfriede Engelmayer S. 101-103. IN: Tagträume und Erzählungen der Nacht/ Caminhos sem Destino (1991) Beck & Glückler Verlag. Freiburg 1992

Weiße Ostern (Übersetzung: Curt Meyer-Clason. S. 192-195. IN: Losa, Ilse und Gonçalves, Egito (Hg.): Erkundungen. 30 portugiesische Erzähler) Verlag Volk und Welt. Berlin 1973

Unter einem weiten, blauen Himmel mit weißen Wolken ist eine flache Landschaft zu sehen. Am vorderen Bildschirmrand Wiese, dahinter Bäume, am Horizont ein hoher, schmaler Kirchturm.
Blick gen Osten nach Buer: Vom Jüdischen Friedhof aus ist der Turm der neoromanischen St. Martini-Kirche zu sehen © CF

ÜBER ILSE LOSA

Holzschuh, Julia: Selbstübersetzung bei Ilse Losa. Diplomarbeit. Universität Wien. 2012.

Schoppmann, Claudia (Hg.): Im Fluchtgepäck die Sprache. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im Exil. Orlanda Frauenverlag. Berlin 1991. (Ilse Losa: 202-237)

Wall, Renate: Verbrannt, verboten, vergessen. Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933-1945. Pahl-Rugenstein Verlag Köln 1989. (Ilse Losa – S. 124-125)

ein älteres Buch liegt neben anderen Büchern auf dem Tisch mit dem orange roten Tischläufer. Auf dem Cover ist zu lesen "O Mund em Quelle vivi". Im Hintergrund sind die drei Forscherinnen zu sehen, verschwommen
In der Wilden Rose: Die Zeichnung auf dem Buchcover stammt von Gretchen Wohlwill (Malerin, Mitglied der Hamburger Sezession). Von den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt emigriert die Freundin von Ilse Losa nach Portugal und kehrt 1952 nach Hamburg zurück. © CF

ORTE

KULTURZENTRUM WILDE ROSE

Borgholzhausener Str. 75. 49324 Melle

Das Tor des jüdischen Friedhofes ist frontal im Bild. das schmiedeeiserne Tor zwischen den Backsteinsäulen ist geschlossen. Es zeigt eine stilisierte Menorah und Efeublätter aus Metall.
Das neue Tor: eine Initiative des Heimat- und Verschönerungsvereins Buer © CF

JÜDISCHER FRIEDHOF UND ILSE-LOSA-WEG

49328 Buer (Am Sunderbrook)

Stadtbibliothek Melle

Weststr. 2

IM BESTAND

Bücher von und über Ilse Losa

Beatrize o Plátano / Beatriz und die Platane

Die Welt in der ich lebte

Die Welt in der ich lebte

Tagträume und Erzählungen der Nacht

Unter fremden Himmeln

Nunes, Adriana: Ilse Losa, Schriftstellerin zwischen zwei Welten             

Meyer, Gabriele Undine: Recall

Auf einem Holztisch liegt ein rot- orange-karierter Tischläufer. Auf der Tischläufer. Auf dem Läufer steht eine Tasse mit Tee, liegen in verschiedenen Schüsseln Süßigkeiten, Walnüsse und Datteln. Dazwischen liegen Bücher.
Auf dem Tisch der Wilden Rose: Debütroman ist ein voller Erfolg. © CF

LINKS

Irene Below (Kunsthistorikerin)

Barbara Daiber (Künstlerin, Pädagogin)

VERANSTALTUNG

Ein Dorf erinnert sich: Wer war Ilse Losa?

https://artig-buer.de

19.3.2023, 15 Uhr

Lesescheune, Melle-Buer, Barkhausener Str. 78

In der Totale ist eine Landschaft zu sehen. Links im Bild eine schmale Straße. Rechts eine Wiese, am Horizont den Friedhof, das heißt, die Hecke und die hohen Bäume. Über der Landschaft liegt der blaue Himmel.
Seit 1820 besteht der Jüdische Friedhof in Buer. Ilse Losa widmet ihm eine Erzählung. © CF

Wunder warten nicht

Die 44. Duisburger Akzente und ihre Geister

WDR 3, Mosaik, 3. März 8 Uhr

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Druntersicht auf Flusscontainer, die übereindergestapelt sind. Eine der Türen ist offen. Über den Containern ein tiefblauer Himmel und eine weiße Wolke
Container sind Orte für Geister, die verzaubern und verstören © CF

Ich sitze am Computer, will meine Miniatur über Wunder produzieren. Gebannt verfolge ich die Schallwellen, die auf dem Monitor zu sehen sind und die mein Gehirn in komplexe Bilder übersetzt. Scheinbar mühelos. Wunder passieren immer ohne Anstrengung.

Am unteren Bildrand bin ich zu sehen, mit Warnweste und Fotokamera vor dem Gesicht. m Hintergrund steht Alex Hardt an den gestapelten Containern und schaut Richtung Spezialwagen an Horizont.
Container-Terminal in Duisburg-Ruhrort © Katerina Katsatou

Auf einmal: Stromausfall. Die Schallwellen sinken ins Dunkel. kein Strom, kein Einfallstor ins Metaversum. Dafür sind die Sterne gut zu sehen, das scharfe Halbrund des Mondes. Ein ganzes Viertel tastet sich für die nächsten Stunden durchs Leben. Das liegt ganz sicher an meinem Thema… Wunder.

Ein ärmlicher Hauseingang mit einem großen Fenster, an dem eine Gardine bis zur halben Höhe hängt. Auf der Gardine ist zu lesen: Kunst ist nicht die Krücke der Gesellschaft, sondern ihr Rückgrat.
Duisburg Ruhrort © CF

Damit befassen sich die 44. Duisburger Akzente. 31 Tage, 90 Veranstaltungen. Ulrich Matthes ist da, zu sehen in der Heinrich von Kleist-Komödie Der zerbrochene Krug. Das Hamburger Thalia Theater zeigt Moliere Der Geizige in einer Inszenierung von Leander Haußmann.

Önder Baloǧlu steht im Profil zwischen zwei hellen Steinsäulen und schaut nach unten. Am Horizont eine Fensterfront, davor eine Fahne am Mast.
Önder Baloǧlu (3. Konzertmeister der Duisburger Philharmoniker) leitet das Streichensemble Les Essence, die bei den 44. Akzenten in der Salvatorkirche auftreten © CF

Es gibt Ausstellungen, Klangexperimente, Stadtspaziergänge. Eine Strickguerilla fährt eine abgefahrene Masche. Sie lässt Pilze im urbanen Raum wachsen. Riesengroß und bunt. Die machen garantiert high.

Das Ladenlokal besteht aus einer großen Fensterfront. Drei Stufen führen zur Eingangstür. Über dem Lokal ist die Fassade hellblau. Vor dem Haus steht ein Auto. Auf der Beinscheibe wachsen Narzissen.
Lokal Harmonie: Erst Eisenwarengeschäft, dann Lost Place, jetzt eine der angesagtesten Spielstätten. Jazz, Theater, Ausstellungen © CF

Straßen, Schaufenster, Hauseingänge werden von wundersamen Wesen bevölkert, die just in dem Moment erwachen, sobald wir nichtsahnend durchschlendern. Wir müssen uns schon sehr wundern.

Alex Hardt steht rechts im Profil mit Blick in den rauch, der ihn umfängt. Vor ihm stehen auf Stativen zwei Mikrofone.
Der gute Geist der Sounds: Alex Hardt © CF

44. Duisburger Akzente Wunder

3. März bis 2. April 2023

Am Horizont, vor einem Himmel mit Wolken und einer halb verdeckten Sinne stehen zwei Hafenkräne. Vorn im Bild ist eine große Pfütze zu sehen, in der sich die Kräne spiegeln.
Ein Hafen zum Wundern © CF

Chatbots

Mensch Macht Kunst Macht Mensch

Daredevil: Stürmer am Institut für Roboterforschung © CF

WDR 5, Scala, 2. März 2023, 14 und 21 Uhr

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Christel Geißendörfer und Alexander Glessen sitzen auf einem Korbsofa. Er schaut in die Kamera und sie auf ihr Handy.
Hej Siri! Christel Geißendörfer (li./ Physiotherapeutin) und Alexander Glessen (Chatbot – Selbstauskunft)

Seit November 2022 machen wir Chat GPT. Und kein Ende in Sicht. Im Gegenteil. Jetzt geht es so richtig los. Überall wird diskutiert. Gut oder schlecht? Sollen Chatbots verboten werden oder im Gegenteil, sollen sie Lehrende wie Lernende assistieren?

Gerhard lauer sitzt in einem hellen Zimmer. Hinter ihm steht ein weißes High Board mit Büchern.
Prof. Gerhard Lauer (Buchwissenschaftler) © Gerhard Lauer

Große Verlagshäuser entscheiden sich dafür. KI sind, wenn auch nur als kleine Lichter, beteiligt am Lesestoff, den wir kaufen. Sie imitieren die Stimmen von Vorlesestars und machen kurzerhand Schauspieler:innen arbeitslos.

Buchcover: Vor lila Hintergrund steht Kenza Ait Si Abbou und lehnt an einem Roboter aus weißem Kunststoff
Menschenversteher (li.) mit Autorin © Droemer Verlag

Künstliche Intelligenzen: Sind sie wirklich die wahren Menschenversteher? So heißt das neue Buch der Bestsellerautorin Kenza Ait Si Abbou, das Anfang März 2023 beim Droemer Verlag erscheint. Ach, KI sind nur Handlanger. Nichts weiter. Wirklich? Ein Feature von Claudia Friedrich. 

Ich sprach mit Prof. Gerhard Lauer, Prof. für Buchwissenschaft am Gutenberg-Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und ich sprach mit der KI-Forscherin, Managerin und Buchautorin Kenza Ait Si Abbou.

In Tübingen traf sich ein Freundeskreis (siehe Fotoreihe und Einzelfoto unterm Titel) und diskutierte über Künstliche Intelligenz und ihren Umgang mit Chat GPT, Siri und Co.

Kenza Ait Si Abbou

Gerhard Lauer

Auf dem Buchcover hockt Lili mit runder Brille auf dem zitronengelben Boden Boden und schaut zu Robotermädchen Roxy. Roxy hält die Hand von Lili.

„Lili ist auf dem Weg von der Schule nach Hause, als sie Roxy findet. Roxy ist ein Mädchen, ein intelligenter Roboter, der auch sprechen kann. Zwischen Lili und Roxy entwickelt sich eine Art Freundschaft. Lilly lehrt Roxy Sprechen, Singen, Tanzen. In diesem Roman lernen die Kinder, wie künstliche Intelligenz und maschinelle Lernen funktionieren; und was Datenschutz bedeutet.“ (Kenza Ait Si Abbou)

Das Bild zeigt die Hände eines Roboters und Leiterplatten in seinem geöffneten Arm.
Ausrangierte Roboter © CF

Mannheim 1848

Petition vieler Bürger

TITELBILD: Jesuitenkirche und Ursulinengymnasium im Norden Mannheims

27.2.2023: WDR 5, 9.45 Uhr und WDR 3, 17.45 Uhr

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Harald Stockert steht zwischen hohen Stahlregalen. Vor ihm liegen zwei Blätter in einem Hefter. Er beugt sich über die Blätter. Hinter ihm liegen graue Kartonstapel im Regal.
Im Magazin des Marchivums: Der Historiker Harald Stockert betrachtet ein Faksimile der Märzforderungen © CF

Die Zeichen stehen auf Sturm. Im Februar 1848 fordern Europas Freigeister Revolution statt Restauration. Sie sägen an Monarchie und Ständesystem. In Paris wird der König gestürzt und die zweite Französische Republik ausgerufen. Der Funke springt zum Deutschen Bund über.

Das Bild zeigt eine Tafel. Links im Bild ist ein Stich zu sehen. Eine Frau steht mit dem Rücken zu den Betrachtenden auf einem Berg aus alten Möbeln, Steinen, Holzbohlen. Sie schwenkt eine Fahne. Vor der Barrikade stehen mehrere Menschen. Rechts im Bild steht ein Text, der das Bild erklärt.
Die Tafel in der Dauer-Ausstellung im Marchivum ist Lisette Hatzfeld gewidmet. © CF
Blick in den Westen: Das Bild zeigt einen Parkplatz. Hinter dem Parkplatz fließt der Rhein horizontal durchs Bild. Am Horizont, jenseits des Flusses, sind Neubauten und Kirchturmspitzen zu sehen.
Mit den Augen von Lisette Hatzfeld: 1848 gelangten die Menschen per Schiffsbrücke auf die andere Rheinseite, ins bayerische Ludwigsburg, damals ein Dorf. Dort standen bayerische Soldaten. In Mannheim standen die Revolutionär:innen auf der Barrikade. © CF

Barrikaden werden errichtet, Flugblätter verbreitet, blutige Kämpfe ausgefochten. In sämtlichen deutschen Staaten gibt es Volksversammlungen. Die erste Versammlung findet im badischen Mannheim statt. Erklärtes Ziel sind Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgerichte, ein deutsches Parlament. 

Zu sehen ist eine Wiese, die von einem Weg begrenzt wird. Am oberen Bildrand, am Ende der Wiese steht ein Schiller-Denkmal. Am Horizont: ein Mehrfamilienhaus.
Auf dem Schillerplatz: Hier stand das ehemalige alte Nationaltheater Mannheims. Am Vorabend der Revolution sahen die Besucher:innen eine Vorstellung von Friedrich Schillers Drama „Wilhelm Tell“. © CF

Beilagen und Feuilletons sind voll mit Berichten über die Absetzung des französischen Königs. In Mannheim bittet mit Gustav Struve einer der führenden Köpfe der Revolution in die Schulaula des Großherzoglichen Gymnasiums. Diese Versammlung ist die Blaupause für unzählige weitere Zusammenkünfte im Deutschen Bund

Eine Treppe führt zum Eingang in ein Schulgebäude. Vor der Treppe stehen Fahrräder auf einem Pflasterweg.
Eingang zum Ursulinengymnasium: Der 60erJahre-Bau steht an der Stelle, an der die frühere Aula des einstigen Jesuitengymnasiums und späteren Lyceums stand. © CF

Am Nachmittag des 27. Februars 1848 ziehen rund 2500 Menschen in Mannheims Norden, in die Aula. Sie sind Beamte, Gelehrte, Händler, Politiker. Auch Frauen sind dabei, zum Beispiel Struves Ehefrau Amalia Struve.

Links im Bild ist ein Bau aus der Gründerzeit zu sehen mit Rundbogenfenster und einer Tür an der Hausecke. Das Haus steht an der Ecke von zwei Straßen.
Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution „Amalia“benannt nach Amalia Struve. © CF

Amalia Struve und ihre Mitstreiterinnen kämpfen um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Am Ende der Versammlung liegt eine Petition vor, die als die Mannheimer Märzforderungen in die Geschichte eingeht. 

Zu sehen ist eine Bilderwand mit Stichen und Portraits von Menschen und Ereignissen aus der Zeit der 1848er Revolution.
Dauerausstellung im Marchivum: Amalia Struve (o. re.), Friedrich Hecker (Mitte re. mit Hut und Hahnenfeder), Revolutionär:innen am Bahnhof (u. re)

Gustav Struve verliest das Grundsatzprogramm, in dem das Recht auf Selbstbestimmung verlangt wird, das Recht auf Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes

Frontalansicht: Das alte Rathaus Mannheim mit der katholischen Kirche in der Mitte der beiden Gebäudehälften.
Marktplatz Mannheim: Vor dem Rathaus feiern tausende Menschen die Rückkehr der Delegation, die die Petition dem Großherzog in Karlsruhe überbracht hat. © CF

Am nächsten Tag werden die Märzforderungen dem Landtag in Karlsruhe überbracht. Tausende Menschen aus ganz Baden strömen in die Hauptstadt des Großherzogtums. Allein aus Mannheim reisen 3000 Männer und 600 Frauen an. Sie werden Zeug:innen vom Beginn der Revolution 1848/49. 

Zu sehen ist ein zweigeschossiger Rundbau aus rotem Mainsandstein. Milchglasfenstern und einem dreigeschossigen Kirchturm mit kupfergedeckter Laterne
Paulskirche in Frankfurt am Main: Tagungsort der Nationalversammlung (1848 bis 1849) © CF

Mit dem Historiker Klaus Ries sprach ich über die Revolution in den Staaten des deutschen Bundes. Mit Harald Stockert, dem stellvertretenden Direktor des Marchivums besuchte ich die Orte des revolutionären Mannheims.

Harald Stockert lehnt an einem Geländer. Hinter ihm sind Gleise zu sehen. Am Horziont stehen Hochhäuser.
Harald Stockert steht an der Bahnstrecke zwischen Mannheim und Karlsruhe. © CF

Marchivum

Archiv, Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung, NS-Dokumentationszentrum

Archivplatz 1, 68169 Mannheim

An einer Wand aus rötlichen hängt eine quadratische Messing-Plakette mit der Büste Heinrich von Gagerns. Sein Bildnis ist erhaben.
Am Mainsandstein der klassizistischen Paulskirche: Heinrich von Gagern ist der Präsident des ersten gesamtdeutschen Parlaments © CF

Paulskirche Frankfurt am Main

Paulsplatz 11, 60311 Frankfurt am Main

Zu sehen ist ein Steinbrunnen auf einem Platz. Im Hintergrund erhebt sich über einer Terrasse ein moderner, quadratischer Betonbau mit Glasfensterfront.
Paradeplatz mit Blick aufs Stadthaus: Hier stand das ehemalige Kaufhaus mit dem Schwurgerichtssaal. 1849 wurden hier Haftstrafen und Todesurteile verhängt, über Monate. © CF

Originalliteratur

Amalie Struve. Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Den deutschen Frauen gewidmet. 1850.

gelesen von Kathrin Baumhöfer

Georg Büchner. Der hessische Landbote. Friede den Hütten! Krieg den Palästen! 1834.

Petition vom 27.2.1848, die Mannheimer Märzforderungen

gelesen von Nils Kretschmer

Nils Kretschmer steht vor einer Hausfassade und blickt Richtig Himmel. Hinter ihm sind die Kölner Kranhäuser zu erkennen.
Nils Kretschmer (Schauspieler) Rechte: Nils Kretschmer

Siebenjähriger Krieg

Friede zu Hubertusburg

WDR ZeitZeichen am 15.2.2023

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Vormacht um jeden Preis

Unterhändler der Großmächte treffen sich im sächsischen Jagdschloss

Eine schnurgerade Asphaltstraße führt durch einen Wald. Am Horizont ist die Spitze des Schlossturmes zu sehen.
Im Wermsdorfer Forst: Poststraße zwischen Leipzig und Dresden. Am Horizont der barocke Schlossturm © CF

Europa ist kriegsmüde. Seit August 1756 kämpfen Europas Großmächte Preußen, Österreich, Russland, Frankreich und Großbritannien um mehr Macht. Die wollen die Vorherrschaft in Europa, die anderen mehr Kolonien in Indien und Nordamerika. Sieben Jahre späte gibt es hunderttausende Tote und Verletzte, leere Kassen, verwüstete Länder. 

Ein Türknauf aus Messing ist auf eine Holztür aufgebracht.
Was von der Plünderung übrig blieb: Ein originaler Türknauf überdauert die Epochen © CF

Wermsdorf bei Grimma. Abgesandte des Kurfürstentums Sachsen und der Königreiche Preußen und Österreich treffen sich zu Friedensverhandlungen auf Schloss Hubertusburg, einer Perle des sächsischen Rokokos. Doch die ohnehin kurze Glanzzeit ist längst vorbei, als Kurfürst August III., König von Polen, auf seiner Zweitresidenz rauschende Feste feiert. 

Druntersicht: Eine Hausfassade ist mit Netzen abgehängt. Die Fenster sind vergittert. Vor dem haus steht eine kaputte Straßenlaterne.
Gartenfassade: Hier befand sich einst der riesige Spiegelsaal. Später diente das Schloss als Lazarett, Gefängnis, Psychiatrie, Krankenhaus. Jetzt steht der Flügel zum Westen leer. © CF

Zwischen den Erzfeinden Preußen und Österreich schwelt der Konflikt um eine Provinz der Habsburger. Preußen hatte Schlesien erobert, Österreich will seine reichste Provinz zurückerobern. Parallel liefern sich Frankreich und Großbritannien erbitterte Seegefechte auf dem Atlantik und in Nordamerika. Ende August 1756 marschiert Preußen in Sachsen ein, das zwischen den verfeindeten Königreichen liegt. Sachsens Kurfürst flieht nach Warschau, das Jagdschloss wird durch Preußens Armee geplündert, das Inventar verkauft. 

Das Detail zeigt eine mit Seidenstoff bespannte Wand. Der Stoff ist bordeauxrot, in den rosafarbenen Ornamenten eingewebt sind.
Rekonstruiertes Detail in der Königsloge der Hubertuskapelle CF

Im Februar 1763 treffen sich die Unterhändler von Österreich, Preußen und Sachsen in einem Nebengebäude der Schlossanlage, im südlichen Rundflügel, und besiegeln das Ende des Siebenjährigen Krieges, der auch als erster Weltkrieg in die Geschichte eingeht. 

Ein schmales Fensterkreuz unterteilt die Landschaft in vier Abschnitte. Zu sehen ist ein halbrunder Bau mit roten Dachziegeln und cremefarbener Fassade. Der Mittelrisalt unterteilt die Fassade in drei Abschnitte.Vor dem Bau ist ein Schlosspark sehen, den ein Wegekreuz unterteilt.
Blick zum Verhandlungsort: Vom sanierten Ovalsaal im Schloss aus sehen wir einen der Nebenbauten. Hier trafen sich die Gesandten in nüchterner Atmosphäre. © CF
Durch das Fenster ist die Schlossfassade zu sehen. Ovaler Mittelrisalit mit Glockenturm und Turmuhr. Das Fensterkreuz unterteilt die Ansicht.
Blick vom nördlichen Rundflügel: Die preußischen Beamten wohnten hier, nur eines der traurigen Symbol des grausigen Krieges vor Augen. Die kupfernen Dachpfannen waren weg, Fenster und Türen rausgerissen, Glocken und Turmuhr abmontiert.

Ausgestattet mit großen Vollmachten entwerfen die Staatsbeamten Friedensartikel. Am 15. Februar 1763 unterzeichnen Österreichs Hofrat Heinrich Gabriel von Collenbach und Preußens Vertreter Ewald Friedrich von Hertzberg den Friedensvertrag zwischen Österreich und Preußen.

Die frontale Szene zeigt einen Naturstein, in den ein ovales Bildnis Eigelasse ist. es zeigt das erhabene Profil eines Männerkopfes. Auf de einen Seite des Natursteins wächst eine Zypresse, auf der anderen ein immergrüner Busch. Das Ensemble steht zwischen kahlen Bäumen
Das Medaillon zeigt Thomas von Fritsch. Dahinter stand das schlosseigene Opernhaus. Sein Fachwerk diente zum Bau der Holzkisten, in dem die Kostbarkeiten abtransportiert wurden. © CF

Für Sachsen setzt der Geheimrat Thomas von Fritsch seine Signatur unter den Text. Der Status quo ante bellum ist wieder hergestellt. Preußen behält Schlesien und zieht seine Truppen aus Sachsen ab.

Links im Bild ist eine Postsäule aus Naturstein zu sehen, größer als ein Mensch. In den Stein ist ein Posthorn eingemeißelt und golden lackiert. Auf der einen Seite ist Wald, auf der anderen eine Asphaltstraße.
Postsäule im Wermsdorfer Forst. © CF

Am Ende des globalen Krieges steigt Preußen zur fünften Großmacht Europas auf. Großbritannien schlägt Frankreich. Das British Empire ist geboren. Die Folgen des Krieges sind fatal. Opfer sind nicht nur hunderttausende Soldaten, sondern auch mindestens ebenso viele Zivilist:innen.

Marian Füssel sitzt auf einer Bank an einer Straße. Im Hintergrund steht ein schmiedeeiserner Pavillon vor einem großen Gebäude aus Ziegeln.
Prof. Marian Füssel in Kanada, einem Schauplatz des French and Indian Wars. © Privat

Ich sprach mit dem Historiker Marian Füssel von der Uni Göttingen, mit Martina Elvira Lotzmann, Vorständin des Freundeskreises Schloss Hubertusburg und mit Ulf Müller, Gästeführer und Mitglied der europäischen Organisation Places of Peace.

Bucheinschlag - Rückseite: Beschreibung des Inhalts und ein Posthorn/ Cover: Ansicht der Ostfassade des Schlosses unter blauem Himmel
Schloss Hubertusburg © Staatliche Kunstsammlungen Dresden
(linke Seite) Modell des Schlossareals. In der Draufsicht ist eine barocke Anlage zu sehen. Weiße stilisierte Bauten auf grauem Grund. Im Osten sind die Rundbauten mit Schlossstraße, rechts im Bild Park mit Se/ (rechte Bildhälfte) Plan aus dem Jahr 1741 zeigt den Grundriss eines Waldgebietes mit schnurgeraden Schneisen, die das gebiet wie ein Schachbrett unterteilt
(li) Modell des Schlossareals mit Barockgarten im Westen, in seiner kurzen Blüte zwischen 1752 und 1761/ (re.)
Christian Friedrich Boëtius: Grundriss der Mutzschener Heide mit den Jagdschneisen für
die Parforcejagd, Ausschnitt, 1741, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden © Rechte SKD

Schloss Hubertusburg

04779 Wermsdorf

Martina Lotzmann steht vor einem mehrgeschossigen Haus mit langen Fensterreihen. Sie trägt kurze graue Haare, eine Brille mit blauem Rahmen und Winterjacke.
Martina Lotzmann im Innenhof von Schloss Hubertusburg © CF

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e.V.
Schloss Hubertusburg –
im Grossen Schlosshof –
Haus 12 – direkt an der Pferdeschwemme
04779 Wermsdorf

Ulf Müller steht in einem Saal, vor schmalen langen Spiegeln, in denen sich Kronleuchter spiegeln. Er trägt einen Parka und kurze graue Haare.
Ulf Müller im Kleinen Ovalsaal im Ostflügel des Schlosses © CF

Places Of Peace

Europäisches Netzwerk

Der südliche Rundbau ist leicht gewölbt. Auf zwei Geschossen befinden sich Fenster. Über dem schmalen Risalit ist eine Stuckarbeit, die das sächsische Wappen zeigt.
Friedensraum, heute Landesarchiv © CF

Oskar Gottlieb Blarr

Von Straßennamen inspiriert

Das Musikantenviertel in Düsseldorfs Süden

WDR 3 TonArt am 15.2.2023, 15-17.45 Uhr

Link zum Podcast (nach der Sendung)

Oskar Gottlieb Blarr (89) trägt einen schwarzen Hut mit hoher Krone und breiter Krempe und einen schwarzen Mantel. Neben ihm steht Giovanni Solinas (36) mit einer schwarzen Jacke. Die Beiden schauen nach oben. Hinter ihnen steht eine sehr alte Orgel vor einer Ziegelwand.
Oskar Gottlieb Blarr und Giovanni Solinas (re.) im Foyer des Konzertsaals © CF

Oskar Gottlieb Blarr ist Organist, Komponist, Kirchenmusiker. 

Er arbeitete als Kantor in der Neanderkirche in Düsseldorf und war Professor an der Robert Schumann-Hochschule. Nicht zuletzt ist es ihm zu verdanken, dass Düsseldorf zur Orgelstadt wurde. 

Für sein jüngstes Projekt steht der 9. Bezirk der Landeshauptstadt im Fokus, das sogenannte Musikantenviertel in Benrath und Urdenbach. Oskar Gottlieb Blarr studierte 19 Komponisten, deren Namen auf Straßenschildern zu lesen sind. In der evangelischen Kirche in Urdenbach spielt er von ihnen Stücke ein, auf der Schöler-Orgel aus dem Jahr 1754. 

Das Ergebnis ist eine CD mit einem ausführlichen Booklet, erschienen beim Motette-Verlag in Viersen. Der Geschäftsführer Giovanni Solinas, Kantor in Viersen, leitete die Aufnahmen.

Mit den beiden Organisten traf ich mich für einen Abendspaziergang auf dem Golzheimer Friedhof. 

Oskar Gottlieb Blarr beugt sich über den Tisch. Design Hut verdeckt das Gesicht. Er schreibt auf weißes Papier. Vor ihm liegt die Brille. Im Hintergrund steht eine kleine Orgel.
Oskar Gottlieb Blarr signiert die CD © CF

CD

Das Musikantenviertel in Düsseldorf-Benrath/ Urdenbach.

Oskar Gottlieb Blarr an der Schöler/Fasan-Orgel der evangelischen Kirche Urdenbach. 

Aufnahmeleitung: Giovanni Solinas (Musikalischer Direktor)

Verlag Motette-Psallite

Viersen 2022 

LC 95666

CD MOT 15085

Die zwei Männer im Profil vor der Orgel und Flügel. Der Ältere sitzt auf dem Tisch, der Jüngere steht vor ihm. Sie unterhalten sich.
Oskar Gottlieb Blarr (li.) und Giovanni Solinas © CF

Sônia Mota

Tänzerin, Choreographin, Regisseurin, Lehrerin

WDR 3 – MosaikReihe über Künstler:innen im Alter

„Rente – nein danke!“

Freitag, 27.1.2023, Folge V, 8 Uhr

Link zum Podcast

Sônia Mota ist eine klassisch ausgebildete Tänzerin. Aufgewachsen in São Paulo in Brasilien lernt sie schon als Achtjährige Ballett. Mit 30 rebelliert sie gegen das klassische Korsett und entwickelt ihren eigenen Stil. Jetzt ist Sônia Mota über 70 und steht immer noch auf der Bühne. Für viele Künstler:innen gibt es kein Rentenalter. An Aufhören ist nicht zu denken. Doch eins ist klar: alle Körper altern, auch der einer Tänzerin. Was tun, wenn sie nicht mehr so kann wie die Jungen? Sie kann anders. Sônia Mota ertanzt Figuren, die den Begriff von Schönheit neu definieren. Ihr Tanz ist reif und schön. In den Ehrenfeldstudios in Köln treffen wir uns; und sie tanzt mit der Stille.

Abwesen

Tanzerforschung von Abwesenheit, Mangel und Ko-Präsenz

Regie: Karel Vanĕk 

Tanz: Sônia Mota, Josefine Patzelt, Geraldine Rosteius

Premiere: 20.1.2023

Brotfabrik Bonn. Kreuzstr. 16. 53225 Bonn 

Absence#3

Deconstruction of time

Regie: Ilona Pászthy

Performance: Balázs Posgay, Yana Novotorova, Maria Nurmela, Sônia Mota, Maria Sauerland, Sten Rudstrom

Premiere: 2.2.2023

Barnes Crossing. Industriestr. 170. 50999 Köln

LINK

Ehrenfeldstudios. Zentrum für darstellende Künste

Wissmannstr. 38, 50823 Köln

das Buchcover ist pink. Dunkle Halbkreise durch ziehen das Pink.

LITERATUR

Hiesl, Angie/ Kaiser, Roland (Hg.): War schön. Kann weg… Alter(n) in der darstellenden Kunst. 

Verlag Theater der Zeit 2022

Sônia Mota steht an der weißen wand, trägt dunkelroten Lippenstift und hält ihre Augen geschlossen
© CF

Klang von Gestern

WDR 3 MOSAIKREIHE- Klang der Zukunft

FOLGE I: KLANG VERGEHT

16. Januar 2023, 8 Uhr

Link zum Podcast

In einem Räum mit Dachbalken steht ein schmaler Eisenofen. Durch das Fenster sind Flammen zu sehen. Hier dem Ofen mit langem Rohr, das in den Kamin geht, steht ein Tisch mit Monitoren. An einem anderen Tisch lehnt ein Reisigbesen.
Homeoffice: Der Ofen wird mit „echtem“ Holz gefeuert. © CF
Ein Feuer im offenen Kamin: Flammen züngeln. Die Holzscheite glühen. Doch die Szene ist ein dreidimensionales digitales Bild.
Schwindelflammen © CF

Offenes Feuer gibt es heute digital. Das Knistern des brennenden Holzes liefert eine Sound-App. Auch das Klicken des Kamera-Auslösers wird künstlich erzeugt. Polyluxe, also Overheadprojektoren, sind jetzt schon weitestgehend aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Ebenso die Audiokassette und der Pfeifkessel.

Auf einem alten Holztisch stehen vier Wasserkessel in unterschiedlichen Größen und eine leere Glühweinflasche.
Mit Pfiff © CF

Das ist alles Schnee von gestern. Interessant aber ist, dass sie markante Geräusche hervorbringen. Mein mobile tune ich auf Wählscheibe und meine eingebaute Handykamera auf eine analoge Spiegelreflex.

Die alte Schreibmaschine hat runde Tasten, auf denen die Buchstaben zu sehen sind. Die Tastenhebel bewegen den Typenblock, der ebenfalls im Detail zu sehen ist.
Bis zum Anschlag © CF

Offensichtlich haben die analogen Töne Charme. Vor allem hängen tausende Erinnerungskonzepte am Klangarsenal der Vergangenheit. Ein paar der analogen Klassiker habe ich die große Bühne bereitet. Viel Spaß beim Hören und Schwelgen.

Das Detail zeigt das Zifferblatt einer alten Standuhr. Schwarze Zeiger, schwarze Ziffern auf einer goldeben Scheibe
Zahn der Zeit © CF