Chatbots

Mensch Macht Kunst Macht Mensch

Daredevil: Stürmer am Institut für Roboterforschung © CF

WDR 5, Scala, 2. März 2023, 14 und 21 Uhr

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Christel Geißendörfer und Alexander Glessen sitzen auf einem Korbsofa. Er schaut in die Kamera und sie auf ihr Handy.
Hej Siri! Christel Geißendörfer (li./ Physiotherapeutin) und Alexander Glessen (Chatbot – Selbstauskunft)

Seit November 2022 machen wir Chat GPT. Und kein Ende in Sicht. Im Gegenteil. Jetzt geht es so richtig los. Überall wird diskutiert. Gut oder schlecht? Sollen Chatbots verboten werden oder im Gegenteil, sollen sie Lehrende wie Lernende assistieren?

Gerhard lauer sitzt in einem hellen Zimmer. Hinter ihm steht ein weißes High Board mit Büchern.
Prof. Gerhard Lauer (Buchwissenschaftler) © Gerhard Lauer

Große Verlagshäuser entscheiden sich dafür. KI sind, wenn auch nur als kleine Lichter, beteiligt am Lesestoff, den wir kaufen. Sie imitieren die Stimmen von Vorlesestars und machen kurzerhand Schauspieler:innen arbeitslos.

Buchcover: Vor lila Hintergrund steht Kenza Ait Si Abbou und lehnt an einem Roboter aus weißem Kunststoff
Menschenversteher (li.) mit Autorin © Droemer Verlag

Künstliche Intelligenzen: Sind sie wirklich die wahren Menschenversteher? So heißt das neue Buch der Bestsellerautorin Kenza Ait Si Abbou, das Anfang März 2023 beim Droemer Verlag erscheint. Ach, KI sind nur Handlanger. Nichts weiter. Wirklich? Ein Feature von Claudia Friedrich. 

Ich sprach mit Prof. Gerhard Lauer, Prof. für Buchwissenschaft am Gutenberg-Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und ich sprach mit der KI-Forscherin, Managerin und Buchautorin Kenza Ait Si Abbou.

In Tübingen traf sich ein Freundeskreis (siehe Fotoreihe und Einzelfoto unterm Titel) und diskutierte über Künstliche Intelligenz und ihren Umgang mit Chat GPT, Siri und Co.

Kenza Ait Si Abbou

Gerhard Lauer

Auf dem Buchcover hockt Lili mit runder Brille auf dem zitronengelben Boden Boden und schaut zu Robotermädchen Roxy. Roxy hält die Hand von Lili.

„Lili ist auf dem Weg von der Schule nach Hause, als sie Roxy findet. Roxy ist ein Mädchen, ein intelligenter Roboter, der auch sprechen kann. Zwischen Lili und Roxy entwickelt sich eine Art Freundschaft. Lilly lehrt Roxy Sprechen, Singen, Tanzen. In diesem Roman lernen die Kinder, wie künstliche Intelligenz und maschinelle Lernen funktionieren; und was Datenschutz bedeutet.“ (Kenza Ait Si Abbou)

Das Bild zeigt die Hände eines Roboters und Leiterplatten in seinem geöffneten Arm.
Ausrangierte Roboter © CF

Böden

Mit Füßen getreten

Kein Leben ohne Boden

WDR 5, Neugier Genügt, Feature am 5.12.2022, 10 Uhr

WDR 3, Mosaik, Talk über Böden am 5.12.2022, 8 Uhr

Link zum Podcast – Feature

Auf einer Wiese liegen welke Blätter; und in der Mitte befindet sich ein kleiner Erdaufwurf mit einem Loch.
Maulwürfe zeugen für gesunde Böden: Viele Gartenbesitzer:innen können ihr Glück nicht fassen. Dabei sollten sie jubeln. Denn die Bodenbuddler sind nur da, wo sie genug Nahrung finden, und zwar Regenwürmer & Co. © CF

Wir sind dem Boden näher als wir meinen. Die Menschen in biblischen Zeiten wussten das. Im Hebräischen wird die Nähe durch zwei Begriffe ausgedrückt: Adam, der erste Mensch, und Adamah, der Boden, die Erde. Gott schuf Adam aus Erde. Der Mensch wiederum experimentierte mit der Rezeptur und schuf Golem, einen willenlosen Kraftprotz, der seinen Schöpfer:innen gehorcht.

Michael Moses steht am linken Bildrand im Profil und hält eine Lehmfigur in der linken Hand. Mit der rechten Hand streicht er über den hals der Figur.
Der israelische Keramiker Michael Moses töpfert Golem, einen Humanoiden aus Lehm © CF

Eins ist klar: Böden und wir sind Verwandte. Bodenkundler:innen wie Sonja Medwedski und Gerhard Milbert sprechen vom Boden als ein hoch lebendiges Naturwesen, der zum Teil von den gleichen Mikroorganismen besiedelt wird wie der menschliche Darm. Wir leben nicht allein von Luft und Liebe.

Grüne Blätter stehen auf einem Feld, wobei das Feld nicht zu sehen ist. Durch die Blätter scheint die Sonne, am Horizont liegt ein schmaler Streifen Himmel.
Acker bei Schaephuysen (Kreis Kleve) © CF

Der Boden liefert uns unser täglich Brot. Doch unsere Sünden vergibt er uns nicht. Im Gegenteil, sie werden einfach für die Nachwelt gespeichert. Böden sind Bücher, die Auskunft geben über unsere Geschichte. Sie müssen nur sorgfältig gelesen werden.

Renate Gerlach steht in der Bildmitte im Halbprofil. Sie hält in der linken Hand Bodenproben, auf die sie schaut. Hinter ihr sind Erdhügel zu sehen. Am Horizont ragt ein Kirchturm in den blauen Himmel
Prof. Renate Gerlach in der Grabungsstelle, mit Bodenproben in der Hand. © CF

Wie eine Kriminologin macht sich Renate Gerlach ans Werk. Die Bodenkundlerin und Geoarchäologin lässt sich nicht täuschen.

Renate Gerlachs Hand ist in der Draufsicht zu sehen. Auf der Handfläche liegen drei Bodenproben, die sich farblich unterscheiden. Ocker, Lebkuchenbraun und dunkles Braun.
Entkalkung, Verbraunung, Verlehmung: Vom unverwitterten Löss (helles Ocker) zum neolithischen Schwarz. © CF

Renate Gerlach nimmt jeden Stein, jede Krume, jeden Farbunterschied in den Blick und rekonstruiert das gewesene Leben. In Bornheim Merten siedelten sich bereits vor 7000 Jahren jungsteinzeitliche Bäuerinnen und Bauern an und begründeten zwischen Ville und Rhein die agricultura, den Ackerbau.

Draufsicht auf den Boden. Kleine Gräser wachsen aus dem Boden. Außerdem liegen auf der Oberfläche winzige Steinsplitter.
Befunde sind zum Beispiel winzige Ziegelsplitter, Holzkohle, inkohlte Getreidehalme © CF

Bis in die 2020er Jahre wurde der überaus fruchtbare Lössboden im heutigen Bornheim Merten beackert. Auch die römische Eifelwasserleitung führte hier entlang. Nach den archäologischen Grabungen entstehen auf der Ackerfläche Ein- und Zweifamilienhäuser nebst Straßen, Parkplätzen, Versorgungsleitungen.

Im Vordergrund ist eine Bodenkante zu sehen. Rechts im Bild liegt ein mineralischer Bodenhaufen ohne Humusanteil, links im Bild aufgeschüttete Erde aus der Grube im Vordergrund. Am Horizont steht eine Halle aus Fertigbauteilen.
Eingeschossige Hallen: Für den Gewerbepark Den Ham in Krefeld Hüls muss bester Ackerboden weichen © CF

Die Menschheit muss Boden gut machen. Allein in Deutschland werden über 50 Hektar des Naturkörpers täglich zerstört. Dabei befinden sich in einer Handvoll Boden mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde.

Böden sind unbekannte Weltstars. Und sie sind mehr als einen Dreck wert. 

Die Draufsicht zeigt Ackerboden, geprägt durch das Profil eines sehr breiten Reifens.
Jedes Jahr weicht in der Bundesrepublik um die 200 Quadratkilometer Boden dem Bau von Straßen, Gewerbegebieten, Wohnhäusern. Das entspricht in etwa der Stadt Essen. © CF

Jedes Jahr am 5. Dezember wird der Weltbodentag begangen, und das seit genau 20 Jahren. An diesem Tag verkündet die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft den Boden des Jahres.

Gerhard Milbert steht im Profil mit dem Gesicht Richtung linke Bildseite, unter einem sehr blauen Himmel. Seinen kopf hält er nach unten geneigt, zu seinen Händen.
Dr. Gerhard Milbert © CF

Seit 2005 setzt sich das Kuratorium Boden des Jahres unter dem Vorsitz des Bodenkundlers Gerhard Milbert zusammen und prüft genau, welcher Boden Pate stehen soll. Im Jahr 2022 ist der Botschafter Pelosol, ein spezieller Tonboden. 2023 steht mit dem Ackerboden eine Nutzungsart im Fokus.

Sonja Medwedski steht hinter einem Wildrosenstrauch, an dem Hagebutten wachsen. Sie schaut in die Kamera und lächelt. Hinter ihr ist eine Zypresse zu sehen.
Natur- und Geopark Terra Vita in Osnabrück: Sonja Medwedski © CF

Böden generell haben ein gewaltiges Imageproblem, sagt die Bodenkundlerin Sonja Medwedeski. Der Boden ist halt selbstverständlich da. Und er ist so angenehm still. Doch wenn er einmal seinen Boden unter unseren Füßen wegreißt, wenn er uns seinen Staub ins Gesicht pustet, die Erde aufreißen lässt, dann ist es oft… zu spät. 

Gerhard Milbert steht in der Bildmitte auf einem Waldweg. Er schaut in die Ferne. In der rechten Hand hält er einen Spaten, in der linken Landkarten und eine Mappe. Im Hintergrund ist der Rücken eines Fahrradfahrers zu sehen.
Dr. Gerhard Milbert © CF

Gerhard Milbert lud mich zu einem Roadtrip am Niederrhein ein. Wir starteten am Gewerbepark Den Ham, machten Station an einer Kiesgrube in Kerken-Stenden und stiegen schließlich auf den Schaephuysener Höhenzug, einer Endmoräne aus der vorletzten Eiszeit.

Vom oberen Bildrand ragen zwei Hände ins Zentrum. Sie halten Sand. Die Person hockt auf sandigem Boden. Rechts im Bild wächst Heidekraut.
Sonja Medwedski bestimmt die Bodenart. Schluff ist mehlig, Ton weich wie Knete, Sand grob wie Zucker. © CF

Mit Sonja Medwedski traf ich mich in Osnabrück im Natur- und Geopark Terra Vita. Wir saßen in einer Heidelandschaft und redeten über Mittler zwischen Ober- und Unterwelt. Renate Gerlach traf ich auf einer archäologischen Grabungsstelle in Bornheim Merten. Den Keramiker Michael Moses besuchte ich in seiner Werkstatt in Kall Scheven.

Zwei Drittel des Bildes dominiert ein strahlet blauer Himmel, das eine Drittel am unteren Bildrand zeigt Felder, eine Baumreihe. Am Horizont sind Windräder und eine Kirchturmspitze zu sehen.
Schaephuysener Höhenzug: Blick vom Rand der Stauchendmoräne in Richtung Westen © CF

www.boden-des-jahres.de

Kuratorium Boden des Jahres. Vorsitz: Gerhard Milbert

Die linke Hand dominiert das Bild. Sie hält eine Scholle Erde, bräunlich ockerfarbenen Löss. Die rechte Hand hält ein Messer, das auf den kleinen Brocken Erde weist.
Flugschluff, herangeweht in der letzten Eiszeit. Gerhard Milbert hält fruchtbaren Löss in der Hand. © CF

Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft

BonaRes-Zentrum für Bodenforschung

Bundesverband Boden e.V.

Ein Grabungsprofil zeigt verbraunte Erde, die über unverwitterten Löss steht.
Grabungsprofil in Bornheim Merten: Farbunterschiede geben Aufschluss über Leben vor Jahrtausenden © CF

LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Renate Gerlach (Geoarchäologin)

Das Buchcover stellt Boden dar, in dem ein Fußabdruck zu sehen ist. Mit weißen Lettern steht über dem Fußabdruck "Die Stimme des Bodens"

Sonja Medwedski (Bodenkundlerin)

Michael Moses beugt sich aus dem rechten Bildrand über seine Töpferscheibe. Er töpfert einen hohlen Zylinder, der aus dem unteren Bildrand ragt.
Michael Moses arbeitet mit Lehm aus dem Westerwald © CF

Töpferei Michael Moses

Games

Die Zukunft? Ein Spiel!

Wie Games Trends setzen

WDR 5, Scala, 26. August 2022, 14 und 21 Uhr

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Eine Gestalt steht mit dem Rücken zur betrachterin auf einem Felsen udn sieht in eine Felsen-Landschaft. Das Bild ist eine Grafik in pastellartigen Farben
Ausgezeichnet mit dem Computerspielepreis 2022 (Bestes Familienspiel) © Inkyfox

Games spielen in Kunst-Welten mit Kunstwesen und Künstlicher Intelligenz. Nicht von Gott in sieben Tagen erschaffen, sondern von Menschen kreiert in meistens mehr als sieben Tagen. Games sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Oft gamen wir, ohne es zu merken. Wir reden von Ebenen, bedienen Joysticks, komponieren Musik für Roboter. Das können die eigentlich schon selbst.

Auf dem Fernsehbildschirm ist die grafische Figur einer Sportlerin zu sehen. Die Szenerie ist halb verdeckt durch Umrisse der menschlichen Trainierenden.
Im Spiel den Body trainieren: Der Avatar spornt seine Schöpferin an, mehr Sport zu treiben. © CF

Wir sitzen mit Künstlichen Intelligenzen an einem Tisch oder lassen bzw. gehen gemeinsam ins Fitnessstudio. Virtuell natürlicch. Wir interagieren in Museen, im Theater, im urbanen Raum. Wir treffen uns im Metaverse. Gamification ist das Zauberwort schlechthin. Leute setzen sich Brillen auf und begeben sich in Extrawelten oder Scheinwelten.

Zwei Frauen stehen frontal zur Betrachter:in vor einem türkis-rosafarbenen Hintergrund. Die Frau links trägt rote Haare, die Frau rechts im Bild trägt eine roße Mütze auf ihren schwarzen Haaren.
A.MUSE Gruenderinnen Christin Marczinzik (li.) und Binh Minh Herbst © Nilz-Bîhme

Was ist und was wird sein? Ich sprach mit Binh Minh Herbst. Sie ist Professorin für Immersive Medien und Mitgründerin des Interaktiven Design Studios A.MUSE.

Avatar: helle Haut, goldene Weste, Hochsteckfrisur, orangerote Ornamente auf dem Körper
Dragon kissed Avatar of Prof. Binh Minh Herbst © Binh Minh Herbst

Ihr Avatar ist eine ziemlich coole Figur mit Silberhaar und Porzellanhaut Haut, über die wie in einer Lavalampe ein rötlich orange schimmerndes Ornament läuft, der Drachenkuss. Das physische Vorbild trägt den Kuss auf der Stirn, seit der Geburt. Binh Minh Herbst hörte allerdings ständig, dass das Feuermal ein Rotweinfleck sei, ein Unfall der Natur. Sie beschreibt es als Symbol der Körperakzeptanz-Body Positivity-Bewegung. Das passt zum Credo der Kreativschmiede: Design for Happiness.

Anneliese Ostertag © Screenshot CF

Ich denke, dass die Zukunft sleek sein wird, also glatt. Anneliese Ostertag ist Netzkünstlerin und Kuratorin des Digitalprogramms der internationalen Tanzmesse NRW 2022. Keine Rauheit, keine Kanten, kein Lärm. Noise (Lärm)-Kunst funkt dazwischen, Glitches, das heißt verzerrte Töne, fragmentierte Bilder, stören den Datenstrom und damit die Hochglanzwelt.

Die Grafik zeigt eine Frau, die an der Stirnseite an einem großen Schreibtisch sitzt. Nur eine lampe wirft fahles Licht auf die Frau am Schreibtisch
Staatsanwältin Eva Katz sucht schuldige Nazis, in dem Indiegame The darkest Files © Paintbucket Game Berlin)

SIEHE BLOGEINTRAG

Mit Games die Welt besser machen: geht das?

Das schaffen wir wenn die Gamedesigner:innen von morgen ein moralisches Urempfinden von klein auf gelehrt bekommen, sagt Binh Minh Herbst.

Drei Personen lehnen an einer weißen Wand, sie schauen ins Bild. Wobei der Mensch in der Mitte einen schnabelartigen Helm trägt. sein Gesicht ist nicht zu sehen.
Studierende Vivian Marissa Röser (li.) und Jerome Rose(re.) HBK-Dozent Patrick Schnorbus © CF

Ich besuchte Game Art- und Design-Studierende der Hochschule der Bildenden Künste Essen (HBK)

siehe BLOGEINTRAG

Helles Büro mit weißen Wänden, langen Tischen. Auf den Tischen stehen Computer. An der wand hängen VR-Brillen, eine Person sitzt, einen adnere geht an der Tür vorbei. beide personen sind in bewegung fotografiert worden.
A.MUSE Studio im Designhaus Halle (Saale) © Nilz-Bîhme

A.MUSE: INTERACTIVE DESIGN STUDIO

Gründerinnen: Christin Marczinzik und Prof. Binh Minh Herbst

Unity for Humanity Winner 2022

Designhaus Office 106/ 107, Ernst-König-Str.1/ 06108 Halle (Saale)

ZENTRUM FÜR NETZKUNST

Mitgründerin: Anneliese Ostertag

Eine Frau steht vor vielen Computer, sie ist gekleidet wie eine Videospielefigur aus dem Spiel Genshin Impact
Stand: Genshin Impact, Halle: 8 © Gamescom 2022

GAMESCOM

The heart of gaming

Weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele

23. bis 28.8.2022, Kölnmesse

Schwarz Weiß Foto: Eine riesige Folie schwebt durch den Raum, mit der eine Person tanzt. Seine Beine sind zu sehen
NONAME SOSU-BLACK © Foto Taemin Cho
 

INTERNATIONALE TANZMESSE NRW

Meeting für zeitgenössischen Tanz in Düsseldorf, Leverkusen, Köln, Krefeld

30.8. bis 3.9.2022

Tanzmesse Digital Space

Kuratorin: Anneliese Ostertag

LA TURBO AVEDON: PARDON OUR DUST

Digitale Gesamtinstallation (Bis 25.9.2022)

Museum für angewandte Kunst Wien, Stubenring 5, 1010 Wien

Drei Personen sitzen auf Stühlen in einem kahlen raum vor einer weiß getünchten Wand. Zwischen ihnen ist ein großer Abstand. Der eine schaut aus dem Bild raus, die anderen beiden frontal zur Betrachter:in
(v.li.) Patrick Schnorbus, Jerome Rose, Vivian Marissa Röser © CF

Diversity im Spielzimmer

Spiele und Spielzeug, die Flagge zeigen

31. Mai 2022, WDR 5 Neugier Genügt, 10 Uhr

Link zum Podcast (bis 30.5.2023)

Puppe mit Downsyndrom, rund 30 Zentimeter groß, schwarz und behindert.
Puppe mit Downsyndrom © CF

TRUMPF MIT PROTHESE

Puppe mit Hautkrankheit? Schwarze Paperdolls? Keine Barbie? Doch, im Rollstuhl. Diversity ist das Zauberwort. Da sind zum Beispiel Puppen, die sich in der Physiognomie ähneln mit zumeist Lidfalten, die nach außen schräg ansteigen. Sie repräsentieren Kinder mit Downsyndrom, einem angeborenen Gendefekt (Trisomie 21). Sprachtherapeutin Katerina Katsatou und die Spielzeugforscher:innen Volker Mehringer und Wiebke Waburg begrüßen den Trend. Vielfalt fegt Vorurteile aus den Köpfen, sagt die Forschung.

Seit gut 20 Jahren geistert Diversity durch die bundesrepublikanische Gesellschaft. Große Konzerne, kleine Firmen schreiben sich Vielfalt auf die Fahnen. Auch in Spielzimmern ist Diversity der Joker. Allerdings legt ihn die Spielzeugindustrie nur zögerlich auf den Tisch. Es besteht kein Zweifel daran, dass Spielmaterialen helfen, die Welt zu begreifen.

© CF

Seit Jahrtausenden fallen Würfel, wird Dame gespielt, Mühle, Schach. Schafft es ein Bauer auf die gegnerische Seite, aufs magische, achte Feld, wandelt er sich bei Bedarf in eine Königin. Sie ist schön, stark, Transgender. Doch die Macht liegt in den Händen eines Mannes. Fällt der König, ist das Spiel aus, auch für die Queen. Die Hierarchien sind klar gesetzt. 

Rolemodels: Finn (li) Drachenflieger, und Sammi (Schulreporter) © CF

Doch das Blatt wendet sich. Junge Verlage und Spieledesigner:innen kreieren Puppen, die spielerisch und phantasievoll Gender, Rassismus, Diskriminierung aufs Korn nehmen. Da sind Figuren mit Blindenstock, schwarze Großeltern, Puppen jenseits von Blau und Rosa. 

Kids‘ voices matter: Klimakativistin Meg © CF

Da ist Meg. African American. Neun Jahre alt. Schwarzes Haar. Shorts, Megafon, Plakat. Das Vorbild ist Mari Copeny (*2007), eine blutjunge Klimaaktivistin aus Michigan, die mit acht Jahren begann, gegen Wasserverschmutzung zu kämpfen. 2044 will, nein, wird sie ins Weiße Haus einzuziehen, als Präsidentin. Denn sie kann werden, was sie will. 

Yalda Kouhi Anbaran (Spieleentwicklerin) © Privat

Ich kann werden, was ich will heißt das Berufe-Memory-Spiel von Yalda Kouhi Anbaran. Geboren im Iran, am Kaspischen Meer, studiert sie in Karadsch, 40 km westlich von Teheran, Elektrotechnik, lernt ihren späteren Mann kennen und migriert mit ihm nach Deutschland. In einer Firma für Antriebe und Batterie-Systeme für Züge ist die Elektrotechnik-Ingenieurin Teamleiterin. In ihrer Schwangerschaft und Elternzeit entwickelte sie das Memory. Der Zeichner Maneis stammt ebenfalls aus dem Iran. 

Memory Ich kann werden, was ich will © CF

Die Bild-Paare zeigen unterschiedliche Menschen im gleichen Beruf. De schwangere Ingenieurin (Karte in Bildmitte) zeigt die Spieleentwicklerin selbst. Das Mathematikpaar vor der Tafel zeigt zwei Menschen, die es so wirklich gibt. Sie zeigen die iranische Wissenschaftlerin Maryam Mirzakhani (Karte li u.) und ihren Kollegen aus Bonn Peter Scholze (Karte li über Frau mit kurzen schwarzen Haaren). Beide erhielten die höchste Mathematikauszeichnung, die Fields-Medaille. Maryam Mirzakhani ist 2017 mit nur 40 Jahren gestorben. Geschichten, die den Bildern eingeschrieben sind, die erzählt werden können, aber nicht zwingend erzählt werden müssen. 

Spielerinnen holen die Karten aus dem Karton der kleinen Firma Spielköpfe
Altes Spiel, neue Bilder: Das Romméblatt der Spielköpfe aus Kiel © CF

Die Karten werden neu gemischt. Jana und Sam gründen die Spielköpfe, engagieren Künstler:innen, Rommékarten & Co. ein anderes Image zu verpassen. Schluss mit den immer weißen Buben, Damen, Königen und den immer männlichen Spitzenpositionen. Wir sehen diverse Köpfe, Männer, Frauen, uneindeutig. Einige tragen Prothesen, so auch die Entwürfe von Amie Savage.

Mundmalerin Amie Savage liegt auf dem Bett, vor ihr das Zeichenpad, auf dem sie mit dem Stift drüber fährt. Die Bewegungen werden auf den Computer übertragen.
Amie Savage (Künstlerin, Mundmalerin) © CF

„Ich bin Schwarz und behindert.“ Ihre Bilder malt Amie Savage mit dem Mund, unter anderem die Ikonen auf dem Romméblatt. Auch für das neue Projekt von Spielköpfe wurde Amie Savage engagiert, diverse Kicker:innen-Figuren. 

Im Innern von Diversity is us: Regale bis unter die Decke mit Puppen und Spielen, ein gemütlicher Sessel am Fenster, der Schreibtisch im Vordergrund.
Diversity is us: Spezialgeschäft in Niederkassel © CF

Wer mehr Vielfalt in den Spielzimmern haben will, wird ganz sich nicht in den Mainstream-Läden fündig. Das Memory, die Spielkarten, die Figuren wie Meg, Puppen mit Behinderung gibt es in einem Spezialgeschäft in Niederkassel zwischen Köln und Bonn. Diversity is us, wurde von Oda Stockmann geründet.

Oda Stockmann sitzt auf einer hellblauen Bank vor dem Schaufenster des Spielzeug- und Spielegeschäfts in Niederkassel. An der Tür steht eine Dropflag, auf der die Ladeninhaberin zu sehen ist, als stilisierte Figur
Oda Stockmann vor ihrer Wunderkammer. © CF

Oda Stockmann ist Diversity-Beraterin und Sensitivity-Readerin. Seit 2017 betreibt sie einen Onlineshop für Geschenkartikel, Spiele und Bücher und seit 2021 das Ladenlokal in Niederkassel; und sie sucht weltweit nach Spielmaterialien, die vielfältig sind, Spaß machen und ganz nebenbei zu denken geben.

Dreigeteilte Figuren, deren Teile per Magnet beweglich sind. Ein Kopf mit Bart kann auf einen Körper mit Bluse geklickt werden
My Familybuilders: Per Magnet Gestalten ändern und Familien bauen © CF

Themen wie Gender, Rassismus, Diskriminierung werden spielend in die Tasche gesteckt, ohne große Worte zu verlieren. 

Bei Oda Stockmann habe ich ausgiebig gestöbert und gestaunt, zusammen mit meiner Partnerin. Als Sprachtherapeutin in einer inklusiven Kita hat sie den Shop für sich entdeckt. 

Mit den Wissenschaftler:innen Volker Mehringer und Wiebke Waburg sprach ich über die Bedeutung von mehr Vielfalt in den Spielzimmern, über das, wofür Spielzeug wichtig ist, über die Monokultur der Spielwarenindustrie.

Zwei Kartenspielerinnen spielen ihren Trumpf aus, klitschen Karten im wahrsten Sinne des Wortes
© CF

Mit einer wunderbaren Familie saßen wir am heimischen Tisch und haben gespielt. Mit zwei Freundinnen erpuzzelten wir einen ganzen Kontinent und testeten die Rommékarten. Ich habe verloren. Neues Spiel, neue Zukunft. 

Shop – Diversity is us

Inhaberin: Oda Stockmann

Oberstr. 34, 53859 Niederkassel

Memory- Ich kann werden, was ich will

Idee und Entiwicklung: Yalda Kouhi Anbaran/ Zeichnungen: Maneis Tehrani

Tischkicker mit diversen Figuren von den Spielköpfen
Kickerfigur 16 stammt von Amie Savage © CF

Karten und Kicker – Spielköpfe

Gründerinnen: Jana Fischer und Samantha Schwickert

Kuhnkestr. 6, 24118 Kiel

Portrait der Mundmalerin Amie Savage
© CF

Amie Savage

Mundmalerin/ Zeichnerin für Spielköpfe

© CF

Very Puzzled

den Kontinent Afrika per Puzzle entdecken

Entwickler: Patrick Adom

My Familybuilders

Per Magnetblöcke Köpfe verdrehen, Familien bauen, Stereotype aufbrechen

Happy Family Game: Quintett, das die Diversität feiert

Volker Mehringer

Akademischer Rat als Lehrkraft für besondere Aufgaben

Wiebke Waburg

Professorin (Institut für Pädagogik – Abteilung Pädagogik) 

Sozialpädagogische Forschung

Katerina Katsatou und Olaolu Fajembola (v. li.) sind im Ulla Hahn-Haus zu sehen
Im Ulla Hahn-Haus (Monheim): Sprachtherapeutin Katerina Katsatou (re.) zeigt die schwarze Heroine von Susann Bee, in einer Veranstaltung, in der Olaolu Fajembola (li.) aus ihrem Spiegelbestseller Gib mir mal die Hautfarbe liest.

Literatur

Mehringer, Volker/ Waburg, Wiebke (Hg.): Spielzeug, Spiele und Spielen. Aktuelle Studien und Konzepte. Springer Verlag. Wiesbaden 2020

Fajembola, Olaolu/ Niminde-Dundadengar, Tebogo: Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen. Beltz Verlag 2021

Bee, Susann: Zoey die Superheldin. Oh je, eine Spinne – Zoey the Superhero/ Oh No, a Spider: Bilingual English German

© CF

Farbe ist Programm

Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn

TITELBILD: Blick ins Rahmenwerk (Entwurf: Liam Gillick)

Die Projektion zeigt die Serpentinentänzerin Loïe Fuller (eines der ältesten Exponate der Ausstellung)

Die Fotos zeigen die Werkstatt der Meister:innen… vor der Eröffnung

Farbkugel und ein Farbstern warten auf ihren Platz in der Ausstellung
© Claudia Friedrich

Feature auf WDR 5, Scala, 7. April 2022, 14 und 21 Uhr

Miniatur auf WDR 3, Mosaik, 7. April 2022, 8 Uhr

!!!! Es lohnt sich, beide Stücke zu hören, der Ton ist ein anderer !!!!

Link zum MOSAIK Podcast

Link zum SCALA Podcast

Carsten Fock malte eine fensterlosen Raum mit Violett aus. Der Strich ist zu sehen.
Carsten Fock. Every day is a day (of rebellion) Seit 1997 arbeitet der Künstler mit diesem Pigment © CF

Farbe wirkt. Sie nimmt viele Rollen ein. Sie ist Gestalterin und Händlerin. Sie ist schön und schlägt zu. Sie befeuert Kunst, Kapital und Emotionen. Sie ist sinnlich und betreibt knallharte Politik. Sie pfeift auf Zuschreibungen und liebt neue Technologien. Jetzt wird sie ausgestellt; und etwa auch auf den Sockel gehoben?! Farbe ist Programm. So lautet der Titel der Ausstellung, die sich der Farbe widmet. Zu sehen sind Exponate aus über 100 Jahren in einer raumgreifenden Architektur.

Liam Gillick steht zwischen den Säulen, die er in verschiedenen Farbtönen anmalen ließ
Liam Gillick, Künstler und Co-Kurator © CF

Der Künstler und Co-Kurator Liam Gillick entwarf eigens für diese Ausstellung ein „Passagenwerk“ aus Wänden, Querstreben, Säulen, denen er einen Anstrich verpasste. Die Farbigkeit ist nicht beliebig, sondern folgt einem der standardisierten Farbsysteme, RAL; entwickelt 1927 im Deutschland der Weimarer Republik.

Dr. Eva Kraus steht am Eingang der Rekonstruktion der Bar-Aubette und schaut Richtung Decke.
Dr. Eva Kraus (Intendantin und Kuratorin) in der Bar Aubette © CF

Zusammen mit den sieben Kuratorinnen der Bundeskunsthalle in Bonn entwickelte Liam Gillick ein Konzept, um das schier endlose Feld zu begrenzen. Also finden sich in der Ausstellung keine Werke, die die Farbe um ihrer selbst willen feiern. Im Gegenteil, was wir sehen, ist oft nur ein schöner Schein, unter dem Geschichten liegen. Heiter, seltsam, verstörend.

Ein abstraktes Gemälde mit vielen Grautönen und kleinen Anteilen Orange, Blau, Weiß
Thu-Van Tran. Colors of Grey © CF

Da ist das Gemälde der vietnamesischen Künstlerin Thu van Tran Colors of Grey, die Farbe, die übrig bleibt, wenn die Leinwand vorher mit Orange, Pink, Blau, Weiß überzogen wurde, den Farben, mit denen das US Militär Gift-Fässer kennzeichnete, mit todbringender Substanz. Agent Orange ist das berühmteste Herbizid.

Sophie Taeuber-Arp. Bar-Aubette (Rekonstruktion) © CF

Da ist die Bar Aubette, eine Rekonstruktion des historischen Vorbilds in Straßburg. Hinter der Fassade eines klassizistischen Baus gestaltete die Dadaistin und Avantgarde-Künstlerin Sophie Taeuber-Arp eine Symphonie aus Farbe, Form und Bauhaus.

Hohe Strahler entsenden tiefblaues Licht, eine Kunstinstallation
Ungefragt angestrahlt: Lichttherapie im Öffentlichen Raum © CF

Da sind die LED Leuchten des norwegischen Künstlers Gardar Eide Einarsson. In Japan sucht die Regierung von der hohen Suizidrate im Land wegzukommen. Blaues Licht soll helfen, zum Beispiel an U-Bahn-Stationen. Ist es wirklich Schutz oder Ausgeliefert Sein?

Der Künstler und sein Werk: Colourmark Nivea-Blau © CF

Da sind die Colourmarks von Rozbeh Asmani. In seiner Kunst geht es nicht um Farbfeldmalerei, es geht um die Frage, wem gehören die Wellenlängen, die unser Gehirn als Magenta, Blau, Gelb interpretiert. Seit 2009 befasst sich der Künstler mit Farben, die sich Firmen haben schützen lassen. Das heißt, das Gemeingut Farbe ist plötzlich Privateigentum, verriegeltes Terrain, das die Eigentümer:innen auch schwer bewachen. Firmen wie die Telekom oder die Sparkasse streiten auch auf dem Rechtsweg um ihre Farbmarken. 2009 schuf Rozbeh Asmani ein Kunstwerk, das aus 3000 Schokoladenfiguren besteht, die er in einer Fabrik produzieren ließ, verhüllt in einem mit zwei Farben bedruckten Staniol-Tschador. Einzige Bedingung: Kein Lila. Rozbeh Asmanis bittersüße Kunstfigur Shirin traf ins Mark der Marken. Seither dreht sich sein Kunstkosmos um das Thema colourmarks.

Künstlerin Jung Hee Choi sitzt auf flauschichgen Teppich vor einer Leiter.
„Kein Teppich, kein Dream House“: Künstlerin Jung Hee Choi © CF

Da ist die Installation Dream House, das Lebenswerk des Künstlerpaares La Monte Young und Marian Zazeela. Ein Kunstwerk aus Licht und Klang. Selbst die Schatten erscheinen in der Mischung aus mehr Blau als Rot, wie zarte Lavendelblüten. Die Musikerin und Multimediakünstlerin Jung Hee Choi ist eine Elevin des Musikers und der bildenden Künstlerin, Pionier:innen der amerikanischen Avantgarde. Jung Hee Choi traf ich beim Aufbau des temporären Dream Houses in Bonn.

Dr. Eva Kraus steht vor hohen Strahlern, die Blaues LED Licht aussenden
Dr. Eva Kraus © CF

Dr. Eva Kraus schlenderte mit mir durch die Ausstellung. Sie ist die Intendantin der Bundeskunsthalle und eine der sieben Kuratorinnen der Ausstellung Farbe ist Programm. Zwischen den Säulen sprach der britische Künstler Liam Gillick über sein Farbprogramm. Und Rozbeh Asmani traf ich in der Galerie Werner Klein, in einem Hinterhaus unterm Dach, in der Kölner Südstadt. 

Zwei Restaurator:innen setzen das Stillleben zusammen, mit Polyurethan aufgeschäumte Trauben, Himbeeren, Mandarinen, ein Glas, ein Kerzenleuchter, alles in Grau
Früchte aus Polyurethan: Restaurator:innen arrangieren das Stilleben des belgischen Künstlers Hans Op de Beeck „Vanitas XL“ © CF

Ausstellung

Farbe ist Programm

8.4.2022 bis 7.8.2022

Liam Gillick im Portrait
© CF

LITERATUR

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Farbe ist Programm (Konzept: Kolja Reichert und Liam Gillick. Verlag für moderne Kunst. Wien 2022.

Asmani, Rozbeh: Litfaß Kiosk. Verlag der Kunsthochschule für Medien Köln. Köln 2017

GALERIE Werner Klein

Künstler: Rozbeh Asmani

Volksgartenstr. 10

50677 Köln

Goldene Bildtafeln hängen an der Wand in der "Kapelle" von Carsten Fock.
Focksches Violett und goldene Fenster in eine andere Zeit © CF

Billard

Zwischen Kult und Sport

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Am Ball: Im Billard Sportverein Wuppertal 1929 (s. auch Titelbild) © Claudia Friedrich

Billard? Wer spielt heute noch Billard?!

Okay, in Spielsalons stehen Pooltische. In der Zeit, die es braucht, um den nächsten Cocktail zu bestellen, haben die Besucher:innen Spaß am Spiel. Doch die Möglichkeiten sind rar. Hierzulande klemmen unscheinbare Billardräume mit dunklen Scheiben zwischen Shisha-Bars und Wettbüros. Aber ansonsten führt der Sport eher ein Nischendasein.

Dabei lief am zweiten Märzwochenende 2022 die 34. Dreiband-Weltmeisterschaft. Austragungsort: Viersen. Zum 31. Mal kamen in der Festhalle Nationalmannschaften aus sämtlichen Kontinenten zusammen. Nur Männer, keine Frauen. Gemischte Teams wären möglich, aber es fehle an leistungsstarken Damen, heißt es… Die Türkei verteidigt den Titel von 2019.

Viertelfinale gewonnen: Martin Horn (li.) und Ronny Lindemann © CF

Das deutsche Duo gewinnt Bronze und Kolumbien Silber. Kolumbien gilt neben Korea als eines der Karambolage-Paradiese.

In Großbritannien wiederum schlägt das Herz für Snooker, eine Billard-Variante mit bunten Bällen an großen Tischen, in denen kleine Taschen hängen. Auf der Insel ist Snooker so populär, dass das Spiel mit Fußball mithalten kann.

Die beiden einzigen Damen im Verein: Melanie Irle-Morgenroth (li.) und Elvira Irle © CF

Den Farben verdankt Snooker seine Renaissance. Die BBC findet in Snooker eine billige Sportart, an der die Vorzüge des Farbfernsehens gezeigt werden können. Für die Demonstration wird ein Turnier aus dem Boden gestampft und ausgestrahlt. Das Format ist ein voller Erfolg und bringt die Kugel ins Rollen. Bis heute.

Melanie mit einem Hilfsqueue © CF

In einer ehemaligen Fabrikhalle trainiert der Billard Sportverein Wuppertal 1929.

Billard hören: Alex Hardt (Soundartist) am Pooltisch mit Viktor Zsori © CF
Angekreidet: Viktor Zsori präpariert seine Pomeranze (Leder an Queuespitze) © CF

Mit Eifer, Ehrgeiz und Spaß trainieren die Mitglieder für Turniere und Oberliga-Spiele an Snooker-und Pool-Tischen, so auch der Poolbillard-Spieler Viktor Zsori.

Karambolage-Weltmeister Christian Rudolph © CF

In der Bottroper Billard Akademie, dem Leistungszentrum NRW, trainiert Christian Rudolph den Nachwuchs in der Königsdisziplin Karambolage, und noch dazu in der kompliziertesten Variante Dreiband.

Foyer der Festhalle Viersen: Mike Becker poliert das Oberteil eines Queues © CF

Während der Dreiband-WM in Viersen sitzt Queue-Macher Mike Becker in seiner mobilen Werkstatt und repariert die Billardstöcke von Spielern und Besucher:innen. Ich besuche die Werkstatt, pendle zu den Hotspots des Billard-Sports und werfe einen Blick in die Kulturgeschichte.

Billard verdient unbedingt einen neuen Anstoß.

Billard Sportverein Wuppertal 1929

Finnische Birke: Mike Becker zeigt einen Queue aus eigener Produktion © CF

Mike Becker – Queue-Bauer 

Bottroper Billard-Akademie

Deutsche Billard Union

Christian Rudolph und Helmut Biermann (re./ Präsident der Deutschen Billard-Union)

Marlene Dietrich

Zum 120. Geburtstag

TITELBILD: Marlene Dietrich im Federmantel. Claudia Ahlerings Zeichnung eröffnet die Graphic Novel Marlene Dietrich

WDR 5 – Scala, 27.12.2021, 14 und 21 Uhr

WDR 3 – Kultur am Mittag, 27.12.2021, 12 Uhr

Marlene Dietrichs Geburtshaus in Berlin Schöneberg © Julian Voloj

Marlene Dietrich ist Weltstar, ist Stilikone, ist Influencerin. Am 27.12.1901 wird sie in Berlin Schöneberg geboren. In den 1920er Jahren ist sie eine Berliner Schnauze, die von sich reden macht. Sie spielt in Revuen, Komödien, Stummfilmen. Mit Anfang 30 feiert Marlene Dietrich ihren ersten großen Film-Erfolg als Tingeltangelsängerin Lola Lola in Der Blaue Engel. 

Das Timbre in der Stimme, die sparsamen Gesten, die formvollendete Inszenierung: Marlene Dietrich hat es einfach drauf. Sie ist ein Star der alten Schule, der aus sich ein Geheimnis macht. Die Marlene-Dietrich-Hose wird zum Markenzeichen, der Filmkuss auf den Mund einer anderen Frau zum Kult, ihr Debüt im Blauen Engel, dem ersten Tonfilm der UFA zum Klassiker. Mit Josef von Sternberg ist sie sieben Filme lang unzertrennlich. Sie dreht mit Alfred Hitchcock und Billy Wilder, steht an der Seite von Garry Cooper und John Wayne. Marlene Dietrich gibt Shows in Las Vegas, singt für die UNICEF, tourt durch die Welt. 

Julian Voloj (Szenarist, Autor der Graphic Novel über Marlene Dietrich) vor dem Geburtshaus in der Leberstraße in Berlin © Sarah Esser

Jetzt ist sie Comic-Star. Die Illustratorin Claudia Ahlering und der Szenarist Julian Voloj inszenierten weniger den Star, als mehr den Menschen, der Entscheidungen trifft, fehlt, irrt, und am Ende doch das Richtige tut.

Marlene Dietrich im Berlin der 1920er Jahre, zusammen mit ihrem Mann Rudolf Sieber. 1926 trat in Berlin zum ersten Mal Josephine Baker auf, zu sehen im Panel (u.M.) © Zeichnung: Claudia Ahlering

Captain Marlene Dietrich zieht mit den amerikanischen Soldaten an die Fronten in Nordafrika und Europa. Vor den Alliierten Truppen sang sie zum ersten Mal Lili Marleen, ein Kriegslied, das nicht über die Gewissheit des Siegens spricht, sondern über die Möglichkeit des Sterbens.

1945 befreien britische Truppen das KZ Bergen Belsen. © Zeichnung: Claudia Ahlering

Marlene Dietrichs Schwester kollaboriert mit den Nazis. Als Marlene Dietrich davon erfährt, handelt sie. Eine Schlüsselszene in der Graphic Novel.

Marlene Dietrich mit Jean Gabin © Zeichnung: Claudia Ahlering

In dem Comic erfahren wir viel über Marlene Beziehungen zu Männern. Ihre Frauen landen im Leerraum zwischen den Panels. 

Claudia Ahlering (Illustratorin, Comiczeichnerin, Malerin) © Privat

Für meine beiden Portraits sprach ich mit Claudia Ahlering und Julian Voloj. Beide stellten mir Fotos und Zeichnungen zur Verfügung, so dass wir einen kleinen Eindruck bekommen. 

In diesem Jahr erschienen ist auch eine Biographie von Gabriele Katz, die sich über Marlenes Mode dem Menschen Marlene nähert.

2015 erschien der kleine Band Schöne Berlinerinnen von dem Flaneuer und Schriftsteller Franz Hessel. Im Februar 1931 hatte er Marlene Dietrich in Berlin getroffen und ein Portrait geschrieben. 

Julian Voloj besuchte Marlene Dietrichs Grab in Berlin-Friedenau. © Julian Voloj

Literatur

Ahlering Claudia/ Voloj, Julian: Marlene Dietrich. Augenblicke eines Lebens. Knesebeck Verlag. München 2021.  

Hessel, Franz: Marlene Dietrich. IN Schöne Berlinerinnen. Frauenportraits. Verlag Ebersbach & Simon. Berlin 2015. S. 78 bis 103)

Katz, Gabriele: Marlene Dietrich. Die Kleider ihres Lebens. Langenmüller Verlag. München 2021

Angela Merkel

Die vielen Seiten der Kanzlerin

Biographie * Portrait * Karikatur

WDR 5, Scala, 21.9.2021, 14 und 21 Uhr

Link zum Podcast

TITELBILD: aus Mein Merkelbilderbuch / Zeichnungen: Klaus Stuttmann

© Schaltzeit Verlag/ Zeichnung: Klaus Stuttmann

Angela Merkel, Bundeskanzlerin seit 16 Jahren, bietet Anlass genug für Zuschreibungen: Kohls Mädchen, Frau ohne Eigenschaften, „Zauder-Künstlerin“ (Nikolaus Blome), Langweilerin, Rhetorikerin zum Einschlafen, Verfechterin der „Lethargokratie“ (Peter Sloterdijk). Doch es gibt viele Buchseiten, die das Blatt wenden, die immer wieder neue Kapitel aufschlagen, und Angela Merkel in einem anderen Licht darstellen als sie gemeinhin erscheint. Seiten, die ohne die immer wiedergekäuten Klischees auskommen, die aber alles andere als Heiligenverehrungen sind.

Zur Zeit erscheint ein Buch nach dem anderen über die scheidende Kanzlerin, Bildbände, Biographien, ihre großen Reden, Abrechnungen, Belletristik. Ich habe mir vier Bücher genauer angeschaut, drei Werke stelle ich im Radio-Feature vor: Die Kanzlerin, Angela Merkel, Mein Merkelbilderbuch

Der Spiegelbesteller von Robin Alexander (Stellvertretender Chefredakteur Politik der Welt) ist leider nicht dabei. „Machtverfall. Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik“ ist aber unbedingt lesenswert. Robin Alexander beleuchtet die letzte der vier Legislaturperioden. Sein „Report“ liest sich wie eine Polit-Satire, bissig, klug und komisch. Dabei ist vieles einfach zum Heulen. Denn „Uns ist das Ding entglitten“, sagt Merkel mit Blick auf die Pandemie, die ihre Regierung einfach nicht im Griff hat. Alexander hievt die intern geäußerte Ohnmachtsbekundung an den Anfang seines Buches. Dabei geht es ganz klar um Macht, um die Eliten und ihre Kämpfe in Hinterzimmern, Restaurant-Nischen, an Tankstellen. „Annegret Kramp-Karrenbauers Traum vom Einzug ins Kanzleramt endet vor einer sächsischen Autobahnraststätte.“

Klaus Stuttmann (Tagespolitischer Karikaturist) © Privat
Ursula Weidenfeld (Historikerin, Wirtschaftsjournalistin) © Marc Darchinger
Ralph Bollmann (Historiker, wirtschaftspolitischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung) © Daniel Pilar

Die 800-Seiten starke Biographie von Ralph Bollmann hat das Zeug zum Standardwerk; und mit dem Portrait einer Epoche gelingt Ursula Weidenfeld auf knapp 400 Seiten eine prägnante Studie. Beide kommen ohne Ornamente oder Schnörkel aus. Und wer sich ein Bild machen will, blättert sich durch die Karikaturen von Klaus Stuttmann, der die Ära Merkel hautnah begleitet hat.

Ohne Worte: Klaus Stuttmanns erste Karikatur trägt ein Namensschild © Schaltzeit Verlag

Mikis Theodorakis

Zum Tod eines Titans

Komponist, Kämpfer, Weltbürger

gestorben am 2. September 2021

!!!!!! Mein Sonder-Feature (35 Minuten) !!!!!

ein Streifzug durch Leben und Werk, zu hören bei

ARD Radiofestival am 2.9.2021, 23.30 Uhr

LINK ZUM PODCAST

Mikis Theodorakis auf seiner letzten Reise im Jahr 2017 © CF

Mikis Theodorakis starb in Athen im Alter von 96 Jahren. Hierzulande ist sein Name vor allem mit Alexis Zorbas verbunden, dem Titelhelden in dem gleichnamigen Film von Michalis Kakoyannis. Die Filmmusik, die Theodorakis Anfang der 1960er schrieb, machte ihn weltberühmt und steckte ihn in eine Schublade. Doch Mikis Theodorakis ist unendlich mehr als der tanzende Anthony Quinn.

Mikis Theodorakis schöpft aus dem reichen Œuvre von Ost und West, verbindet die klassische Symphonik des Wsestens mit der Musiktradition des Ostens, mit byzantinischer Kirchenmusik und Volksmusik. Er arbeitete mit zeitgenössischen Dichtern zusammen und vertonte ihre Lyrik. Im Laufe seines Schaffens entstanden um die 1000 Lieder, kongenial interpretiert von der Hohepriesterin seiner Musik, wie er sie selbst nannte, von Maria Farantouri.

Maria Farantouri © CF

Theodorakis‘ Werke sind nie l’art pour l’art, nie Kunst allein um der Kunst willen. Mit den Linken kämpfte er gegen die deutsche Besatzung und im blutigen Bürgerkrieg, starb beinahe in den Gefangenenlagern der Militärdiktatur. Für die Konservativen trat er als Minister an, auf den Bühnen der Welt erhob seine Stimme für die Freiheit

Ich hatte das Glück, ihn zweimal zu erleben, einmal in der DDR, in Dresden, im Kulturpalast, als sein Oratorium Axion Esti deutsche Premiere feierte, mit Mikis Theodorakis am Pult. Und einmal in Köln in einem privaten Salon, als er mit 92 Jahren seine letzte Reise unternahm. Sein Sessel stand direkt neben meinem Stuhl. Junge Musiker:innen führen einige seiner Stücke auf. Der „Schlussstein“ ist ein Lied aus Axion Esti

© CF

Mär vom bösen Wolf

TITELBILD

Der Wolf mit dem Lamme, vom Hirten verfolgt (1803) © Wallraf Richartz-Museum/ Graphikkabinett/ Stich: Adam Bartsch (nach Jean le Ducq), Wiener Kupferstecher

Wölfe reißen Unschuldslämmer und tragen die Leichen auf dem Rücken davon. Auf dem Rücken: das glaubte man so im 18. Jahrhundert. In der Zeit entstand die Radierung des Wiener Künstlers Adam Bartsch.Speer in der Hand verfolgt ein Schäfer den tierischen Killer mit seinem toten Opfer auf dem grauen Pelz. Eine Ikonographie, die durchaus aktuell ist.

Wülflingen im Stadtkreis von Winterthur (Schweiz)

In der Heraldik sind die Tiere recht beliebt, ausgerechnet in Gegenden, in denen sie gejagt werden. Als Wappentier steht der Wolf für Stärke.

WDR 5 Scala, 9. Juni 2021, 14 und 21 Uhr

Podcast zum Feature (bis 9.6.2022)

Seit jeher streift der Wolf durch Mythen, Sagen, Legenden. Er inspiriert sämtliche Kunstgenres. Aus dunklen Wäldern zieht er in die Lichtung. Das begann vor rund 10 000 Jahren, als Menschen der Natur Tiere entnahmen und sie domestizierten. Im 15. Jahrhundert wird der Holzschnitt, kurze Zeit darauf der Kupferstich, erfunden. Beliebtes Motiv: der Wolf.

Romulus und Remus und die säugende Wölfin (1587) © Wallraf-Richartz Museum Köln/ Holzschnitt auf Vergé von Jost Amman (Schweizer Kupferätzer, Buchautor, Zeichner)

Die Kapitolinische Wölfin ist Roms Symboltier. An den Zitzen saugen Romus und Remulus, die Gründer der Stadt Rom.

Das belgische Paar Auriea Harvey (Oría Harwie) und Michaël Samyn (Michael Samíhn) inszenieren Rotkäppchen als ein Horrorspiel, wie sie es sagen, genau wie in der literarischen Vorlage selbst.

Ginger im Wald/ The Path (2009) © Tale of Tales