Dakota

Volk der Sioux Nation

1862: US-Army siegt am Wood Lake gegen die Krieger der Dakota

TITELBILD

Filmstill aus dem Dokumentarfilm Dakota 38 (2011) Regie: Silas Hagerty. © Smooth Feather Productions © Smooth feather productions

Stilisierter Adler
© Smooth Feather

23.9.2022/ WDR 5, 9.45 Uhr/ WDR 3, 17.45

LINK ZUM PODCAST

Zorn der Verzweiflung

Dakota verlieren blutigen Kampf

Filmplakat: zwei Männer reiten im Galopp durch den Schnee
Dakota Memorial Ride 38+2: Dokumentarfilm über den Dakota Memorial Ride von Lower Brule (South Dakota) nach Mankato (Minnesota). Seit Dezember 2006 reiten jedes Jahr Dakota and friends knappe 600 Kilometer aus dem „Dakota Territorium“ (heutiges North- and South Dakota) nach Mankato (Minnesota) zur Hinrichtungsstätte, an der 38 Dakota gehängt wurden (1862). 1865 wurden zwei weitere Männer gehängt. © Smooth feather productions

USA. Mittlerer Westen. Minnesota im Jahr 1862. Der Bundesstaat ist jung und Abraham Lincoln ein Jahr im Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Im Süden der jungen Demokratie tobt ein blutiger Bürgerkrieg, im Norden sind die Männer rar. Eine günstige Gelegenheit, zuzuschlagen. Krieger der Dakota, wie eine der Gruppen der Sioux-Nation heißt, wollen ihr Land zurück. Doch der Kampf ist aussichtslos. Im Tal des Minnesota-Flusses, am Wood Lake, besiegt eine Armee der Union die aufständigen Dakota. 

Farbfoto einer Stadtansicht am Fluss, mit Wolkenkratzern, Eisenbahnschienen und viel Grün
Saint Paul: Hauptstadt von Minnesota. Im 19. Jahrhundert ließen sich Weiße aus Kanada hier nieder © Gemeinfrei

Mitte des 19. Jahrhunderts strömen weiße Siedler:innen in den Mittleren Westen, an die Frontier, die Grenze zu „unbesiedeltem“ Land. Ein Hohn, denn hier leben Native Americans. Während ein Bundesstatt nach dem anderen entsteht, werden die First Peoples in Reservationen abgeschoben, gefängnisartige Areale am Minnesota-River. Hier sollen sie lernen, Felder zu bestellen und Böden zu beackern nach westlichem Vorbild.

Gemälde einer Landschaft am Fluss, gesäumt von Miniaturbildern, die verschiedene Gebäude zeigen, ein Fort, Mühlen, Fabriken, Häuser
New Ulm am Minnesota River © Gemälde: Julius Berndt (Architekt) 1860

Viele der Siedler:innen wie der Architekt und Baumeister Julius Berndt stammen aus Deutschland. Zwischen 1820 und 1914 sind rund fünf Millionen Menschen aus Deutschland ausgewandert. Auf dem „frei gewordenen“ Land gründen sie Städte, zum Beispiel New Ulm. 

SchwarzWeiß Foto einer Gruppe von acht weißen Männern und einer Frau, die ernst in die Kamera blicken.
Die ersten Siedler:innen in New Ulm (1860) © Gemeinfrei/ Library of Congress

Forty Eighters und Forty Niners, wie die Deutschen genannt werden, suchen nach der gescheiterten Revolution ihr Glück in den USA. Sie erwerben billiges Land und lassen sich im Tal des Minnesota-Rivers nieder. 

Zeichnung eines sitzenden Mannes mit langer Pfeife und einem aufwendigen Kopfputz
Chief Taoyateduta (Little Crow), gezeichnet von Frank Blackwell Mayer 1851 in TRaverse de Sioux © Carli Digital Collections (https://collections.carli.illinois.edu/digital/collection/nby_eeayer/id/2560/)

Für die indigenen Gemeinschaften am Minnesota River unterzeichnete der Chief Taóyatedúta, auch bekannt als Little Crow, die Verträge, die die USA ihnen unterbreitet hatte. Ihnen bleibt kaum eine Wahl. Der Präsident der Vereinigten Staaten Abraham Lincoln will die Weiten der Great Plains mit aller Macht urbar machen.

Ein Haus aus Bruchsteinen. Kleine, vergitterte Fenster.
Lagerhaus der Lower Sioux Agency in Redwood County © Foto McGhiever 2012

Am Minnesota-Fluss lebt die indigene Bewohnerschaft in den ihnen zugewiesenen Territorien. Das in den Verträgen zugesicherte Geld aber kommt verspätet oder gar nicht. Die Agenturen in den beiden Reservationen werden zum Teil von korrupten Angestellten betrieben. 

Frauen, Männer, Kinder hungern, verschulden sich bei den sogenannten Handelsposten. Als der Inhaber eines solchen Agentur gebeten wird, die Ration vorzustrecken, schlägt dieser vor, dass die Bittenden doch Gras oder die eigene Scheiße essen sollten. Was folgt, ist eine Kaskade der Gewalt. 

Binnen Wochen verlieren Hunderte weißer Siedler:innen, auch Kinder und Babies verlieren auf grausige Weise ihr Leben. Auch der schwarze Barbier der Lower Sioux Agency wird nicht verschont. 

Cover in hellem Blau: drei Menschen schauen in die Kamera
Indigene Zeitzeug:innen berichten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven die Zeit 1862, 1863

Viele Dakota machen mit, aber längst nicht alle. Durch die Gemeinschaften selbst geht ein tiefer Riss. Die einen befürworten, die anderen verabscheuen die Gewaltspirale und verstecken sogar Weiße. 

Allerdings sitzen die eigentlichen Schuldigen im Weißen Haus. Die haben, zynisch gesprochen, Wichtigeres zu tun als Verträge einzuhalten und sich um das Wohl der First Peoples zu kümmern. Zwischen der Armee der Nordstaaten und der in einer Konföderation vereinigten Südstaaten toben die unerbittlichen Sezessionskriege (1861 bis 1865). In den Reservaten verschlechtern sich die Lebensbedingungen, die ohnehin nie rosig waren.

Schwarz Weiß Foto eines Mannes mit drei Adlerfedern im Haar und heller Kleidung
Chief Taoyateduta im Jahr 1858 Foto: Julian Vannerson

Junge Krieger besuchen ihn in seinem Steinhaus, das direkt neben dem Tipi steht, bitten ihren Chief um Beistand. Daraufhin hält er seine in die Geschichte eingegangene Rede. „Ihr seid kleine Kinder, ihr seid Narren. Ihr werdet sterben wie die Hasen.“ Tóyatedúta, bekannt auch als Little Crow zieht dennoch mit ihnen in die Schlacht an den Wood Lake.

Abraham Lincoln ordnet die Niederschlagung des Aufstandes an. Das Oberkommando hatte John Pope, ein Bürgerkriegsgeneral, der erst vor einigen Wochen ein Gefecht gegen die konföderierten Truppen verloren hatte und sich jetzt beweisen will. 

Der Bison, das heilige Tier der Sioux lebt nur noch in Wildparks © Library of Congress (National Photo Company) Foto: Glasnegativ (1909-1923) 

23. September 1862, am Wood Lake. Die Truppe unter Oberst Henry Sibley gewinnt die Schlacht. Pope ordnet die Vernichtung der Dakota an. „Sie sind als Fanatiker und wilde Tiere zu behandeln, und keinesfalls als Volk, mit dem Verträge oder Kompromisse gemacht werden können.“ In Eilverfahren werden hunderte Menschen schuldig gesprochen.

Farblithographie einer Hinrichtung, in der Ferne auf einem Podest stehen 38 Männer unter einem Galgen, umringt von Soldaten. Menschen stehen im Vordergrund des Bildes
Blutgerüst in Mankato (Minnesota): Gaffende stehen jenseits der berittenen Armee. Die Dakota-Hymne singend steigen die 38 zum Tode verurteilten Männer auf die Holzbühne ganz nah am Fluss. © John Wiese 1883/ Chromolithografie 

26. Dezember, Mankato. Abraham Lincoln billigt die Hinrichtung von 38 Dakota. Einen Tag nach Weihnachten sterben sie am Galgen. Es ist die größte Massenhinrichtung in der Geschichte der USA. 

Alle anderen Dakota werden vertrieben, fliehen, sterben durch Kopfgeldjäger. Der Aufstand markiert den Beginn eines zwei Jahrzehnte dauernden Widerstandes gegen die brutale Expansion der jungen „Demokratie“. 

Portrait eines Mannes, der mit rotem T-Shirt an einem Baumstamm steht
Aram Mattioli © Privat

Ich sprach mit Aram Mattioli, Professor für Geschichte der Neuesten Zeit, an der Universität Luzern.

Buchcover: Ein indigenen Mensch steht auf einem Stein in einem Fluss, Speer in der Hand.

Beim Klett-Cotta-Verlag veröffentlichte der Historiker einen wegweisenden Band über die Geschichte der Indianer in Nordamerika (1700 bis 1910). 

THANKS TO

Smooth Feather 

Dakota 38 (full movie)

Eine Gruppe von Reitern reiten auf ihren Pferden auf einer schneebedeckten Straße, frontal auf die Betrachterin zu. Gegenlicht und Nebel sorgen für eine mystische Stimmung.
Dakota Memorial Ride 38+2: Der Initiator Jim Miller, Dakota, Vietnam Veteran, spiritual leader, versteht die 16 Tage lange Reise als ein Ritual der Heilung. © Smooth feather productions