Eurovision Song Contest

Camp und Queer

WDR 5, Scala, 10. Mai 2024, 14 und 21 Uhr

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Nemo auf der ESC-Bühne in Malmö. © EBU Foto: Sarah Louise Bennett

Der Eurovision Song Contest ist Glamour, Glitzer, Travestie, ist Licht, Performance, Stimme, ist Kunst und Kitsch, ist Camp, also Künstlichkeit und Stil. Der ESC ist das Alles und noch viel mehr. Ein Wettstreit, der jedes Sportevent in den Schatten stellt. Zumindest fast. Das Weltereignis zieht ein Abermillionenpublikum an.

Bambie Thug aus Irland auf der ESC-Bühne in Malmö. © EBU Foto: Alma Bengtsson

Am 11. Mai 2024 geht der Eurovision Song Contest in die letzte Runde. Austragungsort ist die Malmö Arena in der südschwedischen Hafenstadt an der Ostsee. Das Motto des 68. ESC lautet United by Music. 20 Nationen treten gegeneinander an. Aber glücklicherweise wird das Nationending wohltuend aufgebrochen. Spätestens, wenn die Regenbogenfahnen über den Köpfen flattern.

Olly Alexander auf der ESC-Bühne in Malmö. © EBU Foto: Alma Bengtsson

Wenn nonbinäre Menschen die Bühne rocken wie Nemo aus der Schweiz und Bambie Thug aus Irland. Wenn der Musiker Olly Alexander verspricht, den Union Jack so schwul wie möglich zu schwenken. (Olli Alexander ist in Harrogate geboren. Hier gewann Nicole 1982 den Grand Prix Eurovision de la Chanson mit ihrem Song Ein bisschen Frieden)

Kenzy Loevett von MEGARA auf der ESC-Bühne in Malmö. © EBU Foto: Corinne Cumming

Dänemark schickt die erste queere, schwarze Musicalsängerin Saba nach Malmö; und San Marino die spanische Band Megara mit ihrer lesbischen Frontfrau Kenzy Loevett. Ein cooler Auftritt in Pink und Schwarz, die Musik eine Mischung aus Elektro und Flamenco.

Saba im Halbfinale auf der ESC-Bühne in Malmö. Sie singt die Ballade Sand. © EBU Foto: Corinne Cumming

Leider haben es Saba und Megara nicht ins Finale geschafft. Egal. Sie haben den ESC dennoch aufgemischt.

Hurricane: Eden Golan auf der ESC-Bühne in Malmö. © EBU Foto: Corinne Cumming

Noch ein Wort zu Eden Golan. Ich bin froh, dass sie für Israel im Finale steht. Trotz Buh-Rufen, Pfiffen, Demos. Wie beschämend ist das denn?! 

Triggerwarnung: Schilderung eines Lynchmordes

Warum wird nicht gebuht, wenn Menschen aus Diktaturen beim Sangeswettstreit antreten? Warum wird nicht die Hamas ausgebuht, der Iran? Warum wird nicht zornzitternd geschrien, dass der Hamas Kopf in Katar im Luxus lebt und seine rechte Hand im sicheren Tunnelsystem. Warum wird nicht gebuht angesichts jeder Rakete, die auf Israels Städte abgefeuert werden. Finanziert von Irans Regierung. Warum werden Bluthand-Sticker getragen? Sie stehen für den bestialischen Mord an zwei israelischen Reservisten in Ramallah (2000). Die Mörder zeigen einer johlenden Menge triumphal ihre blutverschmierten Hände und präsentieren die Därme der Opfer! Warum wird gebuht angesichts einer Sängerin, die eine berührende Ballade singt. Die Botschaft ist versteckt. So verlangt es die ESC-Regel: keine Politik. Aus October Rain wird Hurricane

Someone stole the moon tonight
Took my light
Everything is black and white

I’m still broken from this hurricane

Nicht zuletzt ist einem israelischen Star zu verdanken, dass der ESC sein Coming out hatte: Thanks, Dana International!

Sascha Korf © CF

In meinem Feature schaue ich tief ins ESC Herz; und das schlägt auf jeden Fall für LGBTIQA+. Mein Interviewpartner ist Sascha Korf, Comedian, ESC-Experte und absolute Fan. Er sitzt morgen Abend mit einer Freundestruppe am Gardasee und verfolgt das größte Musikfest der Welt auf einem Großbildschirm. 

Und wenn der ESC ein Mensch wäre? 

Sascha Korf: „Ein Mensch? Das wäre wunderbar. Er wäre Queer plus. Lebendig, wild, ehrlich, durchgeknallt und manchmal in sich gekehrt. Er sieht auf jeden Fall jünger aus mit seinen 68 Jahren. Und er spricht 37 Sprachen. Ein Genie!“

© CF

Sascha Korf

Organisation Générale des Amateurs de l’Eurovision

Eurovision Club Germany e.V.

Eurovision Song Contest (© Norddeutscher Rundfunk)

LITERATUR

Sontag, Susan: Notes on Camp. 1964. Penguin Classics 2018

Feddersen, Jan: Queeres Weltkulturerbe. Wie der Eurovision Song Contest
ein schwules Ereignis globalen Profils wurde
. IN: Jahrbuch Sexualitäten. 2019. Wallstein Verlag. Göttingen 2019 (S. 117-152)

Mikrofon mit Europa Flaggen © fotolia Foto: adam121, mrallen

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