Wuppertal

Frischer Wind… Für den guten Ton

Handel mit gebrauchten Pfeifenorgeln in der Trinitatiskirche

Link zum Podcast – Kanzel 5

„Tierheim für Orgeln“: Andreas Ladach vermittelt gebrauchte Pfeifenorgeln, vornehmlich aus entwidmeten Kirchen © CF

In Deutschland sinkt die Mitgliederzahl seit 1945 stetig. 1990 gehören über 70 % zu einer der beiden christlichen Konfessionen. 2019 sind es um die 50%. 2060 werden es um die 30% sein, heißt es in einer Studie der Uni Freiburg.

Die Gemeinden selbst können sich die Sakralbauten nicht mehr leisten. Die Diskussion erlaubt keine Tabus.

Auszubildender Johannes Wurzel spielt an einem Flügel im Kirchenschiff. © CF

Inzwischen gibt es ja auch recht viele Vorbilder, zum Beispiel in Wuppertal. In der Trinitatiskirche in Wuppertal-Elberfeld stehen Orgeln und Klaviere. Ein verwunschener Ort.

Auf dem in den 1950er Jahren abgehängten Dach der neogotischen Kirche. © CF

Vor mehr als 20 Jahren kaufte Andreas Ladach das Gotteshaus und betreibt seither einen Fachhandel für gebrauchte Pfeifenorgeln. Er zieht alle Register. 

Kirchenbesitzer Andreas Ladach (Fachhändler für gebrauchte Pfeifenorgeln) © CF

Trinitatiskirche in Wuppertal Arrenberg

Inhaber: Andreas Ladach

Arrenberger Str. 10, 42117 Wuppertal

Instrumente Ladach

Aachen

Space & Spirit

Gemeinde von CoWorker:innen: digitalCHURCH in neogotischer Kirche

Link zum Podcast – Kanzel 4

Mobile Arbeitsplätze im einstigen Kirchenschiff: 24 Stunden, sieben Tage © CF

CoWorking Spaces sind die neuen Büros. Offene Räume, gemeinsame Infrastruktur, flexible Tische, mobile Wände in einer Hallenkirche im spätgotischen Stil. Das bietet der Verein digitalHUB Aachen.

Für Startups gibt es Workshops und Beratungen. Hier wird genetzwerkt, diskutiert, Gemeinschaft gelebt.

PR-Managerin Karin Bönig im Treppenturm zum Dachstuhl © CF

Ein Investor hatte St. Elisabeth im Norden Aachens gekauft und vermietet das Gotteshaus an den Verein. Jetzt gehen hier viele Menschen ein und aus. Ich war auch da.

digitalHUB Aachen e.V.

digitalCHURCH

St. Elisabeth

Jülicher Straße 72a, 52070 Aachen

Karin Bönig (PR Managerin)/ Iris Wilhelmi (Geschäftsführerin)

Köln

Hort der Stille

Dojo in der evangelischen Dreifaltigkeitskirche

Link zum Podcast – Kanzel 3

Schlichte Kirche aus den 1960er Jahren: Das Fundament liegt auf der einstigen Laborküche des Zuckerkonzerns Pfeifer & Langen © CF

Dirk Kropp betreibt Kampfkunst im Kirchenschiff. Für den Aikido-Lehrer ist der Hallenbau aus den 1960er Jahren wie geschaffen. In seinem Dojo – das ist in Japan ein Übungsraum für Kampfkunst – verbindet Dirk Kropp Selbstschutz mit Friedfertigkeit.

Dirk Kropp steht am Kumiko, einer Symphonie aus tausenden schmalen Holzstäben. Die Gitterornamenten werfen Licht und Schatten, sind hellhörig und durchlässig. Die japanische Tradition in die Kirche einzubauen, geht auf die Idee des Stararchitekten Paul Böhm zurück. © CF

Dirk Kropp engagiert Paul Böhm, der die Kirche in eine Architektur der Leere verwandelt. 

Feiner Schnitt in die Wand für ein Fenster zur Welt © CF

Dojo und Aikido

Inhaber: Dirk Kropp

Rochusstraße 216, 50827 Köln

In der Wandnische: ein Amaranthzweig in einer Steinvase vor einem Rollbild. Jede Woche steht an der Stelle ein anderes Blumengesteck. © CF

Wettringen

Bolzen statt Beten

Soccer-Kirche in der Kapelle des St. Josef Stifts

Link zum Podcast – Kanzel 2

Auf dem zweistöckigen Klinkerbau steht die ehemalige Kapelle des St. Josefshauses © CF

Im katholischen Bistum Münster sind in den vergangenen 15 Jahren um die 70 Kirchen geschlossen worden. Für den Denkmalschutz keine leichte Aufgabe. Denn Kirchen sind keine gewöhnlichen Bauten. Wettringen, am Nordwestrand von NRW.

Am Ball: Kirchenpächter Berthold Krümpel im Gottesraum © CF

In der Kirche vom St. Josefshaus wird gekickt. Die Kapelle der katholischen Förderschule bei Wettringen steht leer. Immobilienwirt Berthold Krümpel pachtet das profanierte Gotteshaus vom Bistum Münster und rettet es vor dem Abriss. Altarraum und Fenster sind durch Netze geschützt.

Die Glocken im Turm stammen aus der Manufaktur in Gescher © CF

Soccer-Kirche

Dorfbauerschaft 31, 48493 Wettringen 

Kirche am St. Josefshaus

Geschäftsführer: Berthold Krümpel

Das Fresko im Hintergrund, die Fenster und das Altarbild stammen von Josef Strater © CF

Literatur

Strohmann, Dirk: Die künstlerische Ausgestaltung der Kapelle des St. Josefshauses in Wettringen durch Josef Strater (1899-1956) IN: Westfalen. Münster. 98. Band 2020. S. 251-267

Kicken im Kirchenraum © CF

Kerpen Manheim

Kirche auf Kohle: St. Albanus und Leonhardus

Link zum Podcast – Kanzel 1

Sie fliegen nicht weg: die Dohlen © CF

Die Bagger im Tagebau Hambach schaffen Abgründe. Für Kohle soll die Kirche St. Albanus und Leonhardus abgerissen werden. Doch jetzt ist der vorzeitige Braunkohle-Ausstieg beschlossene Sache. Bleibt das Gotteshaus stehen? Die Heimatfreunde der Stadt Kerpen hätten ein paar Ideen. Mit der Vereins-Vorsitzenden Susanne Harke-Schmidt treffe ich mich vor der zugerammelten Kirche.

Susanne Harke-Schmidt und die anderen Vereinsmitglieder kämpfen für den Erhalt der Kirche © CF

Heimatfreunde der Stadt Kerpen

Vorsitzende: Susanne Harke-Schmidt (Stadtarchivarin)

Stadtarchiv Kerpen

Stiftsstraße 8, 50171 Kerpen

Kerpen Manheim © CF

Kirchen umgewidmet

ABGEKANZELT ?!

Sakralbauten nach der Profanierung

WDR 3 MOSAIK REIHE

Blick ins Kirchenschiff der katholischen St. Elisabeth in Aachen © CF

Die Gemeinden werden kleiner, das Geld weniger. Pfarrstellen werden nicht besetzt, die Gottesdienste kaum besucht. Die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Bistümer verkaufen Immobilien. Bis 2060 trennen sich die großen Kirchen von 40 000 Gebäuden, heißt es. Also von Pfarrhäusern, Gemeindezentren, aber auch Kirchen. In unserer aktuellen Mosaikreihe geht es um Kirchen, die umgewidmet wurden.

Relief über dem Portal von St. Albanus und Leonardus in Kerpen Manheim © CF

In Deutschland gibt es rund 45 000 Kirchen. Allein in NRW stehen 6000 christliche Gotteshäuser. 30% der Kirchen werden bald nicht mehr für Gottesdienste genutzt, so lautet die Prognose. Schließen sich die Tore, wird auch ein potentieller Raum fürs Kirchenasyl geschlossen, für Schutzsuchende. Die ewigen Eifer:innen gegen Abtreibung und LGBTIQA+ suchen sich verschwiegenere Bühnen. 

Gebrauchte Pfeifenorgeln in der einst evangelischen Trinitatis-Kirche in Wuppertal © CF

Kirchen prägen die Umgebung, sind Landmarken, lassen uns wissen, welche Stunde geschlagen hat. Was tun mit den Baukulturen nach ihrer Profanierung? Kirchen werden zum Lost Place, werden abgerissen, im besten Falle umgewidmet. 

In der Soccerkirche in Wettringen, ehemals katholische Kapelle des St. Josefsshauses © CF

2019 hob die Landesinitiative Stadt-Bau-Kultur ein neues Projekt aus der Taufe, das sich ausschließlich um die sakralen Bauten kümmert: Zukunft Kirchen Räume.

Bei WDR 3 Mosaik stelle ich fünf Kirchen vor, die keine Kirchen mehr sind. 

Empore der einst evangelischen Dreifaltigkeitskirche, heute ein Dojo © CF

D’r decke Pitter

Petersglocke im Kölner Dom wird 100

5.5.2023, WDR 3, Mosaik, 8 Uhr

Link zum Podcast

Draufsicht auf eine Straße aus 50 Metern Höhe. Wie Legofiguren wirken die menschen. Links im Bild die Fassade eines gotischen Baus aus Sandstein mit Türmen, Spitzbogenfenstern, Ornamenten
Mit dem Bauaufzug in rund 50 Meter Höhe © CF

D’r decke Pitter lässt bitten. Wer gratulieren will, muss hoch hinaus. Wir fahren mit einem Bauaufzug an der Nordseite des Doms entlang, unternehmen quasi einen Ausflug ins Sandsteingebirge.

Ein Holzsteg führt zu einer Tür in den Dachstuhl der Kathedrale. Gesäumt von Ziertürmen.
Von der Nordseite in den Südturm, zum Glockenstuhl © CF

Der „Bergführer“ ist Jörg Sperner, Architekt, Denkmalpfleger, Assistent des Dombaumeisters.

Jörg Sperner steht in der Glockenstube und schaut frontal in die Kamera. Hinter ihm hängt die Petersglocke.
Jörg Sperner vor der Petersglocke © CF

Und dann stehen wir am Geburtstagskind. Sie ist eine Glocke der Superlative: die Petersglocke im Kölner Dom, auch liebevoll d’r decke Pitter genannt. Bis 2018 galt sie als die größte, freischwingende Glocke der Welt. Jetzt ist die Petersglocke mit ihren 24 Tonnen nicht mehr die Rekordhalterin. Die Glocke in der rumänischen Kathedrale in Bukarest bringt eine Tonne mehr auf die Waage.

Die Petersglocke hängt zwischen Eisenstreben und Seilwinden, die den Klöppel bewegen. Am Horizont fällt Licht durch ein Fenster.
Im Südturm des Kölner Domes: 3,22 Durchmesser/ 3,20 hoch/ 24 000 Kilogramm Bronze © CF

D’r decke Pitter bringt den tiefsten Ton weltweit hervor. Ach, die Glocke ist ohnehin ein starkes Stück und damit konkurrenzlos, zumindest für die Kölner:innen. Am 5. Mai feiert das Heavy Metal 100. Geburtstag. Am 5. Mai 1923 wird die Glocke in Apolda gegossen, von dem Glockengussmeister Heinrich Ulrich. Den Klang hat der Schöpfer nicht mehr miterlebt. Er starb vor der Glockenweihe im Alter von 48 Jahren an einer schweren Grippe.

Das Detail fokussiert auf den Klöppel aus einem speziellen Klangstahl, der aus der Glocke herausragt. Von der Glocke ist nur der untere Rand zu sehen.
Allein der Klöppel wiegt eine halbe Tonne und ist rund drei Meter lang. Der Klöppel wird nicht wie die Glocke gegossen, sondern geschmiedet © CF

Die Petersglocke misst 3,22 Meter Umfang. Ist also einen guten Meter breiter als das Hauptportal des Doms. Also wurde das Portal ausgebaut, um die Glocke überhaupt in die Kirche zu bekommen. Mit Seilwinden und viel Muskelkraft wurde sie schließlich in die Glockenstube gewuchtet.

Ein oktogonaler Turm ragt in den Himmel. Er läuft nach oben spitz zu. Auf dem Helm sitzt ein Stern. Die Seiten zieren Engel im Stil von Art Deco.
Im Vierungsturm hängen die ältesten Domglocken aus dem 14. Jahrhundert und zwei Barockglocken. © CF

Vielleicht hat ihr der beschwerliche Weg im zweiten Weltkrieg das Leben gerettet. Vielleicht bewahrte ihr schöner Klang die Glocke vor dem Einschmelzen für den Krieg. Vielleicht wollten die Nazis mit d’r decke Pitter ihren sogenannten Endsieg einläuten. Glücklicherweise ist das nie geschehen.

Der die Decke des lang gestreckten Dachstuhls sieht aus wie ein umgekehrtes Schiff. Eisenstreben stützen die Konstruktion aus Holz.
Auf dem Dachboden über dem Langhaus des Kölner Doms © CF

Jetzt hängt d’r decke Pitter mit seinen elf Geschwistern im Kölner Dom und feiert Geburtstag. Und er bekommt sogar ein Geschenk. Jörg Sperner führt mich über den Dachboden zum Vierungsturm. Hier hängt die Klaraglocke, die den hellsten Ton des Geläuts hervorbringt.

Im Vierungsturm hängt die Klaraglocke. Sie hängt an einem Joch, ist rund 70 Kilo schwer und vielleicht 50 Zentimeter hoch. Sie hängt zwischen massiven Holzbalken. Im Hintergrund lehnt Jörg Sperner an einer gusseisernen Wendeltreppe
Klaraglocke: Die kleine Schwester aus dem Jahr 1621 bringt 70 Kilo auf die Waage © CF

Kölner Dom

Links im Bild ist die Fassade des Doms, rechts im Bild ein Blick auf die Dächer Kölns. Am Horizont steht ein Hochhaus.
© CF

Verschenke-Kisten

SWR 2 Matinee zum Thema „Kiste“

16. April 2023, 9 Uhr läuft meine Reportage

Link zum Podcast

Eine alte Dame beugt sich über eine Pappkiste, die auf einer Betonmauer steht. In der einen Hand hält sie eine Flasche mit Bademilch. Sie stöbert zwischen Handtüchern, Glasschalen und Dingen, die dich das Handtuch verdeckt sind.
„Altrüscher Kess“, sagt sie auf Kölsch: „Trödelkiste“. © CF

Kisten ziehen magisch an. Sie bergen Überraschungen. Sie verzücken, erschrecken, lassen staunen… In den letzten Jahren machen Verschenke-Kisten von sich reden. Sie sagen dem Kaufen und Verkaufen den Kampf an. Ist doch geschenkt. Und das steht in einer langen Tradition.

In den 1960er Jahren öffnen die ersten free stores in den USA. 1999 gibt es in Hamburg den erste Umsonstladen der Bundesrepublik. 2011 entsteht in Berlin eine neue Kultur des Schenkens, die sogenannten Giveboxes. Das sind offene, überdachte Häuschen, in denen Menschen anonym Dinge mitnehmen oder auch hinbringen können. 

Auf der Mauer sitzt eine ältere Frau. Kurze haare, weinroter Pulli, roter Lippenstift. Nebenhin steht eine Kiste, in der ein Schild liegt "Zu verschenken". Auf er anderen Seite liegt eine Brille auf der Mauer und eine weiße Kaffeetasse.
Sie handelt nach klaren Kriterien: Für einen Tag ausstellen und wieder einsammeln, was nicht gewollt ist. © CF

Jetzt fungiert der öffentliche Raum als Givebox. Menschen stellen Kisten vor ihre Haustür oder an den Straßenrand, mit einem Schild versehen Zu verschenken. Wer will, bedient sich. Viele wollen, weil die Inhalte oft attraktiv sind. Doch viele wollen auch nicht, weil die Inhalte vom Regen aufgeweicht oder einfach kaputt sind. Manche haben Zorn, weil die Kisten wochenlang vor ihren Türen stehen.

Im öffentlichen Raum dürfen Verschenke Kisten nicht stehen. Oft drücken die Gemeinden ein Auge zu, doch wenn Anwohner:innen klagen, schauen sie genau hin. Dann sind Bußgelder fällig.

Auf einer Mauer liegen verschiedene Gegenstände: zwei Taschen, ein Buch, Textilien, Becher mit Kaffee. Darüber liegt ein vom Regen durchweichtes Pappschild "Zu verschenken"
Sperrmüll statt Spende: Die Entsorgung kostet. Sind die Absender:innen unbekannt, zahlen wir alle. © Katerina Katsatou

Die Idee ist Klasse. Schenken statt wegwerfen. Weiternutzen statt neu kaufen. Einfach mal Out of the box denken.

Meine Frau und ich packten ne Kiste und stellten sie auf eine Mauer. Wir setzten uns daneben und warteten ab. Plötzlich wurde unser Karton zum Treffpunkt. Zu Wort kommt auch Patrick Hasenkamp, der Vizepräsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU).

Auf der Mauer steht ein Karton. Am Karton lehnt ein Pappschild "Zu verschenken". Aus dem Karton ragt eine Zeitschrift mit der Überschrift "Steinkohle". Im Hintergrund sind Häuser und Bäume zu sehen.
© CF

Orgel in Dülken 

Renovierung der „Königin“ in St. Cornelius

TITELBILD: Schall für Seele © CF

Ein Bruchteil der verbauten Orgelpfeifen zwischen 1 und 32 Fuß

NEU !!!!! WIEDERHOLUNG BEI WDR 5, SCALA, 31.3.2023, 14 und 21 Uhr !!!!!!

Links im Bild steht eine Holzskulpturengruppe auf einem Sockel, Johannes mit Jesuskind. Vorne im Bild alte Orgelpfeifen, dahinter die Kreuzgratgewölbe der Kirche.
Unter der Westempore: Noch nicht eingebaute Orgelpfeifen stehen auf dem Boden vor der Figurengruppe © CF

WDR 3 TONART, 30.3.2023, 15 Uhr

LINK ZUM PODCAST

Link zur Scala-Sendung: mein Stück beginnt bei Minute 7’55

Draufsicht - Blick von der Orgelempore auf den mit Filz abgedeckten Boden. Eine Kiste mit schmalen Orgelpfeifen steht auf einer Hebebühne, die der Orgelbauer Damian Zeh steuert
Angehoben: Orgelbauer Damian Zeh fährt die Orgelpfeifen auf die Westempore © CF

4700 Pfeifen ausbauen, über Leitern und Treppen durchs Kirchenschiff tragen, nach Freiburg in die Werkstatt transportieren, reinigen, ausbessern, intonieren, nach Dülken zurückbringen, über Leitern in den Rumpf hieven, einbauen, nochmal intonieren… Das dauert. Ein Jahr brauchte das Team vom Freiburger Orgelbaufürs „Upcycling“.

Allein das Stimmen der Hohlkörper bedürfe im Fall der Dülkener Orgel rund 1600 Arbeitsstimmen, sagt Tilmann Späth, Orgelbaumeister und Inhaber der Freiburger Orgelmanufaktur. „Das entspricht etwa 20 Minuten Arbeitszeit pro Orgelpfeife“. 

Draufsicht auf einen Schacht, der in rund 6 Meter die Tiefe führt. Rechts im Bild: Orgelpfeifen. Links im Bild: Holzbohnen, an denen Leitern lehnen
Aufgestiegen: Hinter dem Orgelprospekt tun sich metertiefe Abgründe auf © CF

Um 1900 steht auf der Empore der St. Cornelius-Kirche in Dülken die erste Orgel. In den 1960er Jahren wird eine neue Orgel gebaut, eine der größten im Bistum Aachen. Doch der Klang ist scharf und dünn. 

Über einen 60 Meter langen Saal, der in drei Schiffe unterteilt ist, erstreckt sich ein Kreuzgratrippen-Gewölbe. Die Kirchenbänke stehen in zwei Reihen Richtung Osten. Der Blick der Betrachterin richtet sich gen Westen zur Orgelempore.
Blick in den Westen: Auf der Empore der neogotischen Kirche steht die frisch renovierte Orgel © CF

Aus dem neobarocken Instrument wird eine Universalorgel“. Rund 500 000 Euro kostet die Renovierung. Keine kleine Investition angesichts schwindender Mitglieder. 

Auf dem Spieltisch der Orgel aus hellem Holz lehnt Giovanni Solinas. Er trägt schwarze Brille, einen gestutzten Vollbart und einen dunkeln Mantel
Giovanni Solinas stammt aus Alghero (Sardinien). Seit 2015 ist er Kantor im niederrheinischen Dülken © CF

Für den Kirchenmusiker Giovanni Solinas aber ist die Orgel mehr als ein teures Kirchenmöbel. Im Gegenteil: sie ist das Scharnier zwischen Kirche und Gemeinde, Konzert und Publikum. Der Kantor erstellte das Konzept und war bei der rund dreijährigen Planung dabei. 

Tristan Lebholz und Giovanni Solinas beuge sich über ein tablet, das Tristan in der linken Hand hält. Mit dem rechten Finger berührt er den Bildschirm
Elektronische Ansteuerung: Tristan Lebherz (li) demonstriert das Spiel per tablet. © CF

Die Technik wurde auf den aktuellen Stand gebracht, das Windsystem überarbeitet, die Orgel gereinigt und Schimmel-behandelt. 

Martin Sonnen sitzt frontal zur Betrachterin am Spieltisch und schaut durch eine Plexiglasscheibe Richtung Kamera. Hinter ihm ist in weiter ferne ein schmales, buntes Glasfenster zu sehen.
Der Hinhörer: Martin Sonnen ist Orgelsachverständiger im Bistum Aachen © CF

Neu ist der Spieltisch, die Steuerzentrale der Orgel aus Eiche, Ebenholz und Knochen. Martin Sonnen, Regionalkantor und Orgelsachverständiger, hört genau hin. Wie ist das Zusammenspiel der Pfeifen? Wie ist der Klang der Kleinsten und der Größten? Wie lassen sich die Register per Wippschalter ansteuern? Er sei zufrieden, sagt Martin Sonnen. Vorher habe sie dünn und scharf geklungen. Jetzt klinge sie viel harmonischer. 

Die Draufsicht zeigt vier reihen mit schwarz weißen Tasten. Die Reihe am unteren Bildschirmrand sind Tasten aus Holz
Vier Manuale + Register + Pedal = Klaviatur © CF

Die beiden Orgelbauer Tristan Lebherz und Damian Zeh setzen die letzten Pfeifen ein, intonieren so, dass Alles stimmt. Kaum wird der Schalter umgelegt, bekommen die Pfeifen ganz schnell Wind und wir hören den Ton. 

Giovanni Solinas sitzt im Profil zur Betrachterin. Sein Blick ist konzentriert auf das Notenblatt gerichtet. seine Hände liegen auf der dritten der vier Tastenreihen.
Giovanni Solinas spielt die Bach Toccata und Fuge in d-Moll (BWV 565) © CF

Zu Ehren der renovierten Orgel organisiert der Kantor Giovanni Solinas ein erstes Internationales Orgelfestival. Musiker aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und dem Vatikan geben jeweils ein Konzert, jeweils am dritten Sonntag im Monat. 

Ich sprach mit Martin Sonnen und Giovanni Solinas; und ich kletterte in den Bau der Orgel, stand mit Damian Zeh und Tristan Lebherz zwischen Schwell- und Hauptwerk der Orgel (s. Bild „aufgestiegen“). 

Zwei Frauen laufen auf einer kleinen Straße, an parkenden Autos und Wohnhäusern vorbei Richtung Innenstadt. Am Horizont, unter einem bewegten Himmel, ist die Kirchturmspitze von St. Cornelius zu sehen.
Am Horizont: Die Spitze des Westturms ist mit Schieferschindeln gedeckt © CF

Katholische Pfarrkirche St. Cornelius 

Alter Markt 1

41751 Viersen-Dülken

Orgeleinweihung

2.4. 2023: Mit Giovanni Solinas

Erstes Internationales Orgelfestival

2.4. bis 5.11.2023

Jeden dritten Sonntag im Monat

Abenteuer im Raumschiff Orgel

Vierte Edition

Orgelprojekt für Kinder und Jugendliche

Von und mit Giovanni Solinas

2. und 4. Juni 2023

Giovanni Solinas schaut an der Betrachterin vorbei. Er steht in einer Kapelle, vor einer Marienstatue, die auf einer Art Altar steht.
In der Marienkapelle der katholischen Pfarrkirche St. Cornelius: Giovanni Solinas © CF

ADRESSE

Verlag Motette-Psallite

Giovanni Solinas (Musikalischer Direktor)

Alter Markt 12, 41751 Viersen

LINK

Freiburger Orgelbau

Renovierung der Orgel in Dülken

Frontal im Bild ist das Orgelprospekt zu sehen. Aufstrebende Pfeifen, die bis unters Kreuzgewölbe führen.
Orgelbau und Orgelspiel gehören seit 2017 zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe © CF

Oskar Gottlieb Blarr

Von Straßennamen inspiriert

Das Musikantenviertel in Düsseldorfs Süden

WDR 3 TonArt am 15.2.2023, 15-17.45 Uhr

Link zum Podcast (nach der Sendung)

Oskar Gottlieb Blarr (89) trägt einen schwarzen Hut mit hoher Krone und breiter Krempe und einen schwarzen Mantel. Neben ihm steht Giovanni Solinas (36) mit einer schwarzen Jacke. Die Beiden schauen nach oben. Hinter ihnen steht eine sehr alte Orgel vor einer Ziegelwand.
Oskar Gottlieb Blarr und Giovanni Solinas (re.) im Foyer des Konzertsaals © CF

Oskar Gottlieb Blarr ist Organist, Komponist, Kirchenmusiker. 

Er arbeitete als Kantor in der Neanderkirche in Düsseldorf und war Professor an der Robert Schumann-Hochschule. Nicht zuletzt ist es ihm zu verdanken, dass Düsseldorf zur Orgelstadt wurde. 

Für sein jüngstes Projekt steht der 9. Bezirk der Landeshauptstadt im Fokus, das sogenannte Musikantenviertel in Benrath und Urdenbach. Oskar Gottlieb Blarr studierte 19 Komponisten, deren Namen auf Straßenschildern zu lesen sind. In der evangelischen Kirche in Urdenbach spielt er von ihnen Stücke ein, auf der Schöler-Orgel aus dem Jahr 1754. 

Das Ergebnis ist eine CD mit einem ausführlichen Booklet, erschienen beim Motette-Verlag in Viersen. Der Geschäftsführer Giovanni Solinas, Kantor in Viersen, leitete die Aufnahmen.

Mit den beiden Organisten traf ich mich für einen Abendspaziergang auf dem Golzheimer Friedhof. 

Oskar Gottlieb Blarr beugt sich über den Tisch. Design Hut verdeckt das Gesicht. Er schreibt auf weißes Papier. Vor ihm liegt die Brille. Im Hintergrund steht eine kleine Orgel.
Oskar Gottlieb Blarr signiert die CD © CF

CD

Das Musikantenviertel in Düsseldorf-Benrath/ Urdenbach.

Oskar Gottlieb Blarr an der Schöler/Fasan-Orgel der evangelischen Kirche Urdenbach. 

Aufnahmeleitung: Giovanni Solinas (Musikalischer Direktor)

Verlag Motette-Psallite

Viersen 2022 

LC 95666

CD MOT 15085

Die zwei Männer im Profil vor der Orgel und Flügel. Der Ältere sitzt auf dem Tisch, der Jüngere steht vor ihm. Sie unterhalten sich.
Oskar Gottlieb Blarr (li.) und Giovanni Solinas © CF