Bertha von Suttner

Die Waffen nieder! Freidenkerin und Friedensfürstin

TITELBILD

Bertha von Suttner in ihrer Wohnung in Wien (1911) © Rechte ÖNB Wien/ Foto: Karl Winkler

Bertha von Suttner. 200 Pfennig. Stichtiefdruck 1999

21. Juni 1914: † der Schriftstellerin und Pazifistin

21. Juni 2024: WDR 5, 9.45 Uhr und WDR 3, 17.45 Uhr

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Bertha von Suttner am Schreibtisch (Wien 1911) © Rechte ÖNB/ Foto: Karl Winkler

Bertha von Suttner ist Schriftstellerin, Bestsellerautorin, Friedensaktivistin, Briefeschreiberin, Netzwerkerin, die Initiatorin des Friedensnobelpreises und selbst Friedensnobelpreisträgerin. Nach vier Männern ist sie die erste Frau, die diese Auszeichnung erhält.

Gedenkmarke anlässlich des 100. Jahrestages der Verleihung des Friedensnobelpreises an Bertha von Suttner/ Offsetdruck 2005

Ihr halbes Leben stellt Bertha von Suttner in den Dienst des Friedens. Ihren Freund Alfred Nobel überredet sie, einen Friedenspreis zu stiften. Den reichen Erfinder des Dynamits hatte sie in Paris kennengelernt. Alfred Nobel befasst sich mit Pazifismus und führt Bertha von Suttner in die Salons ein, in denen sie zum ersten Mal einer aktiven Friedensszene begegnet. 

Der Schriftsteller Arthur Freiherr Suttner auf dem Familiensitz in Harmannsdorf, rund 75 km nördlich von Wien (1892) © Rechte: ÖnB Wien/ Foto: Ludwig Grillich

Ihr politisches Bewusstsein schärft die Gräfin in Mingrelien, einem kleinen Fürstentum in Kaukasien, das heute zu Georgien gehört. Ein selbst gewähltes Exil.

Postkarte, vor 1905: Die letzte Zeit ihres neunjährigen Aufenthalts lebte das Paar Suttner in Georgiens Hauptstadt Tiflis © Rechte: ÖNB

Bertha ist mit einem sieben Jahre jüngeren Mann verheiratet. Arthur von Suttner Familie duldet die Beziehung nicht. Neun Jahre leben sie in ärmlichen Verhältnissen am Schwarzen Meer. Das Paar hält sich mit Zeitungsartikeln, Sprach- und Musikunterricht über Wasser.

Bertha hatte es auf Anhieb leichter als Arthur, weil sie sehr viel lebendiger, pointierter und witziger schrieb als der oft weitschweifige Arthur“, schreibt die Historikerin Brigitte Hamann in ihrer Biographie

Bertha von Suttner wurde in Prag geboren, als Tochter eines 74 Jahre alten Generals und dessen fast 50 Jahre jüngeren Frau, einer Bürgerlichen. Der Vater stirbt ein paar Monate vor ihrer Geburt. Bertha wächst bei ihrem Vormund in Brünn auf. Sie erhält eine gute Bildung, abseits der für adelige „Fräuleins“ üblichen Klosterschulen.

Jugendbildnis von Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau ©
Rechte: ÖNB Wien/ Foto: Camilla von Rainer

Berthas Mutter Sophie Gräfin Kinsky führt die Tochter in die Gesellschaft ein, nimmt sie mit auf Bälle und zu den Orten ihrer heimlichen Leidenschaft: Spielcasinos. Sie bemüht sich, die inzwischen 18jährige standesgemäß zu verheiraten. Bertha geht Verlobungen ein, um sie wieder zu lösen.

Bertha Gräfin Kinsky © Rechte: ÖNB

Irgendwann ist es zu spät. Zu wenig Hochadel. Zu alt. Zu klug. Zu belesen. Mit 30 verdient sie ihr eigenes Geld, als Gouvernante im Haus von Baron Carl Gundaccar Freiherr von Suttner. Bis die heimliche Liebe zum Sohn Arthur auffliegt. 

Bertha von Suttner in Schloss Harmannsdorf vermutlich Juli 1892/ (Porträtfotografie mit eigenhändiger Unterschrift) © Rechte: ÖnB Wien/ Foto Ludwig Grillich

Aus Kaukasien zurück versöhnt sich das Paar mit seinen Eltern, zieht auf das Anwesen in Harmannsdorf.

Hier entsteht auch Suttners berühmtester Roman unter dem Titel Die Waffen nieder!. Der Titel ist Programm. Hinter der vermeintlichen Salonliteratur steckt ein Antikriegsroman. 

Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz schrieb einen scharfsinnigen Text über ihre Kollegin und den Roman. Ein Auftragswerk der Stadt Wien. 

Für den Auftrag bin ich sehr dankbar, weil ich dadurch angeregt wurde, das Handbuch gegen den Krieg zu verfassen. Sozusagen die Theorie zu Suttners Roman. Danach wandte ich mich dem vollkommen anderen Lebensmodell zu, in meinem Handbuch für die Liebe. Kritik Krieg reicht nicht aus, um etwas zu ändern; sondern wir müssen darüber nachdenken, wie die Welt anders aussehen kann. 

In meinem Feature kommt Marlene Streeruwitz zu Wort.

Dr. Guido Grünewald © CF

Und ich interviewte Guido Grünewald. Der Historiker forscht zur Geschichte von Friedensbewegungen, Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung. Seit vielen Jahren engagiert er sich in der deutschen und internationalen Friedensbewegung, in der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und im European Bureau for Conscientious Objection.

LITERATUR

Suttner, Bertha von

Memoiren (1909). Severus Verlag. Hamburg 2013

Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit (1889/ Nachdruck von 1899). Norderstedt 2016

Die Waffen nieder! (1889) Petersberg Verlag. Königswinter 2022

Hamann, Brigitte († 2016): Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden. Brandstätter Verlag. Wien 2013

Streeruwitz, Marlene: Über Bertha von Suttner. (IN: Autorinnen feiern Autorinnen) Mandelbaum Verlag. Wien 2014

Auf einer Zwei-Euro-Münze: Bertha von Suttner. Österreich 2002 (Kupfer-Nickel-Legierung) © CF

LINK

Grünewald, Guido: Friedenshistorische Texte

DFG-VK Bonn-Rhein-Sieg

DFG-VK Gruppe Köln

Bertha von Suttner mit Witwenschleier im Jahr 1908 (Ihr Mann starb 1902) © Rechte: ÖNB Wien

HISTORISCHE FOTOS

Dank an die Österreichische Nationalbibliothek in Wien

Bertha von Suttner stirbt am 14. Juni 1914 in Wien. Ihre Asche befindet sich im Thüringischen Gotha, im ersten Krematorium Europas © Rechte ÖNB Wien/ Foto Carl Winkler (1914)

Counter-Strike

Das Multiplayer-Game wird 25 

TITELBILD: Image aus den Anfängen/ Screenshot © Valve Studios

19. Juni 2024

WDR 5, 9.45 Uhr und WDR 3, 17.45 Uhr

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Maarten van Hoek spielt mit seinen Freunden das Multiplayer-Game Counter-Strike 2 © CF

Counter-Strike ist ein First Person Shooter, ist eines der erfolgreichsten Onlinespiele der Welt, ist eine Art Räuber und Gendarm. Gefragt sind Taktik, Strategie, Zielsicherheit und Teamgeist. Fünf gegen Fünf. Das ist die Regel. Ein Team spielt die Terroristen, das Gegenteam die Antiterroreinheit. Nach 12 schnellen Runden wird gewechselt…. Im übrigen kann ich mir das Gendern schenken. Von notbinären oder weiblichen Figuren ist keine Spur.

Björn Bartholdy © Foto Guido Löhrer

Über Counter-Strike spreche ich mit Björn Bartholdy. Er ist der Gründer und Direktor des Cologne Game Labs an der Technischen Hochschule Köln.

Dust II ist die Lieblingsmap (Spieleumgebung) von Maarten van Hoek © CF

Und ich besuche einen ambitionierten Hobbygamer. Maarten van Hoek spielt Counter-Strike, seit seinem release im Juni 1999. Die erste Version ist die Modifikation von Half Life, eines damals sehr beliebten Games.

Die gegnerischen Teams/ Screenshot © Valve

Im Laufe der Zeit entwickelt sich Counter-Strike zum meist gespielten Taktikshooter, der die eSport-Szene befeuert, aber auch die Kritiker:innen auf den Plan ruft. Zu viel Gewalt, zu viel Blut, zu gefährlich, ein Killerspiel.

Die Kulisse „Train“ ist ein Klassiker, den die Valve-Studios 2014 überarbeitet hatten/ Screenshot © Valve

Doch für die Forschung ist diese Erklärung zu einfach. Die Wissenschaft hat keine eindeutige Antwort. Ein Zusammenhang sei nicht belegt, sagen die Einen. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang, urteilen die Anderen. Abgesehen davon, dass oftmals die Grenzen zwischen Krieg und Spiel nicht immer klar sind. 

Spielszene der Betaversion, entwickelt von den Informatikstudenten Minh Lee und Jess Cliffe © Rechte Valve

Auch beim Fußball fallen Schüsse, gehen Opfer nieder, winden sich im Schmerz. Mannschaften beziehen Stellung, bilden Flanken, stürmen den Limes ins gegnerische Feld, nehmen den feindlichen Palast ins Visier, zielen, treffen oder auch nicht. Die Palastwache riskiert Leib und Leben, um die tödlichen Schüsse abzufangen. Und auf den Rängen wird der Marsch geblasen, mehr oder auch weniger friedlich.

Plakat aus dem Jahr 1999 © Rechte Valve Studios

Für den passionierten Gamer und Brettspieler Maarten van Hoek hat Counter-Strike allerdings nichts mit realer Gewalt zu tun. 

Bombenszenario in einem Güterbahnhof in Russland: Ich, die Terroristin, versuche am Bombspot eine Bombe zu platzieren. Die Antiterror-Truppe ist mir auf den Fersen und versucht sie zu entschärfen./ Screenshot (CS Global Office) © CF

Ich verfranse mich in engen Gassen und Toreinfahrten. Liefere mir Duelle auf Leben und Tod. Meine Teampartner und auch Gegner sind so genannte Bots, Computerprogramme, die die Menschen imitieren. Zum Üben für Anfängerinnen wie mich. Bots verlieren nie die Nerven. Maarten allerdings auch nicht.

Screenshot © Valve

Blut gehört zu den vielen Zeichen und Sounds, die mir Hinweise auf meine Gegner geben. Wie effektiv war mein Schuss? Habe ich meinen Feind ins Aus befördert? Oder zeigt die Blutspur, dass er mir entwischt ist? Was mich betrifft, stehe ich eher auf der Abschussliste und damit am Rand des Spielgeschehens. Tote Spieler dürfen bis zur nächsten Runde nur zuschauen. 

Wer trifft, sammelt Punkte. Für die Punkte gibts Geld. Mit dem Geld werden Waffen und Munition gekauft. Die Knarren sind sehr, sehr realistisch/ Screenshot © Valve

Counter-Strike

Prof. Björn Bartholdy

Eine Kulisse (Map) aus dem Jahr 1999/ Screenshot © Valve

Josip Broz Tito

Revolutionär und Lebemann

Die vielen Rollen des jugoslawischen Staatsoberhaupts

WDR am 16. Mai 2024

WDR 5: 9.45 Uhr/ WDR 3: 17.45 Uhr

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Josip Broz Tito. Sein Name steht für Bildung, Arbeit, Wohlstand, Reisefreiheit, internationales Ansehen. Einerseits. Andererseits steht sein Name für Diktatur, Verfolgung Andersdenkender, Einparteiensystem, Restriktionen. 

Tito ist Staatschef im sozialistischen Jugoslawien. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht er ein Regime im Sinne der Sowjetunion auf. Ende der 1940er Jahre sagt er sich von Josef Stalin los und führt einen milderen Sozialismus ein. Die Menschen dürfen reisen, private Unternehmen führen und im Ausland arbeiten.

Prof. Marie-Janine Calic © Minda de Gunzburg Center for European Studies/ Harvard University

Doch es verbat sich, die rote Linie zu überschreiten, sagt Marie-Janine Calic (Professorin für Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Universität München): Das sozialistische System und das geeinigte Jugoslawien hatte niemand anzuzweifeln.

Im Zweiten Weltkrieg kämpft Tito als Partisan gegen die deutsche Wehrmacht. Er führt seine Truppen in einen fast aussichtslosen Volksbefreiungskampf. Doch am Ende siegen die Kämpfer und Kämpferinnen gegen einen brutalen und übermächtigen Feind. Knapp zehn Jahre später schafft es Tito, auch Josef Stalin und dem Ostblock eine Absage zu erteilen. Sein sozialistischer Völkerbund ist blockfrei und wird zur dritten Kraft, ein Scharnier zwischen Ost und West. Marie-Janine Calic: „Eine dritte Kraft, die sich durchaus auf Ebene der UNO und in der Weltpolitik eine Stimme hatte.“.

Am 4. Mai 1980 stirbt Tito. Zehn Jahre später bricht sein Lebenswerk zusammen. Jugoslawien verblutet in einem vierjährigen Krieg. 1995 sind 200 000 Menschen tot und Millionen auf der Flucht. 

Gegenwärtig beobachtet Marie Janine Calic eine Art Titostalgie. Bands spielen Jugo-Pop. In Souvenirläden gibt es jugoslawische Flaggen, Abzeichen, Tito-Büsten, Tito-Tassen. Und es gibt Tito-Cafés, in denen warmer Topfenstrudel serviert wird.

Topfenstrudel a la Tito © CF

Tito selbst kochte gern die Rezepte seiner Mutter. Tito wuchs in einer armen, kinderreichen Familie in Kumrovec auf, einem kleinen kroatischen Ort an der slowenischen Grenze. Seine Mutter kochte einfache Speisen wie den kroatischen Topfenstrudel.

In ihrem Buch Gerichte, die die Welt veränderten veröffentlicht Sarah Wiener das Rezept a la Tito; und sie liefert die Geschichte dazu. Zum Beispiel, dass er den Strudel Sophia Loren auftischt, in seiner Sommerresidenz auf der kleinen Adriainsel Vanga. In den Genuss kommen viele Promis aus der ganzen Welt wie Josephin Baker, Richard Burton, Willy Brand.

Oliver Krampitz gestaltet den Teig © CF

Profikoch Oliver Krampitz bäckt den Strudel nach und bewirtet Gäste aus der Nachbarschaft. 

Christina Levy (Pseudonym) © CF

Auch Christina Levy kennt den Topfenstrudel. Das Gebäck ist mit ihrer frühen Kindheit in Jugoslawien verbunden. Christina Levy ist in Alexandria geboren, als Tochter eines serbischen Ingenieurs, der während des zweiten Weltkrieges in der britischen Luftwaffe dient und in Ägypten stationiert ist. Ihre Mutter ist in Alexandria geboren. Sie ist die Tochter einer Familie, die aus Montenegro stammt und in Ägypten lebt. Christina Levys Eltern lernen sich in der ägyptischen Hafenstadt kennen und lassen sich nach dem Krieg in Jugoslawien nieder. Unter Tito wird der Vater verhaftet. Er wollte des Nachts nach Italien fliehen. Doch die Geheimpolizei ist schneller. Der Vater wird verurteilt und leistet Zwangsarbeit. Jahre später migriert die Familie nach Kanada. 

© CF

Ein Chronist des Systems Tito ist Slavko Goldstein, einst Partisan, später Publizist, aufgewachsen in einem jüdischen Elternhaus. Sein Buch 1941. Das Jahr, das nicht vergeht (in der Übersetzung der Schriftstellerin Marica Bodrožić) ist ein berührendes und erschütterndes Zeugnis der Verbrechen, die unter der deutschen und italienischen Besatz begangen wurden, die aber auch die faschistische Ustascha in Kroatien und die Partisanen nach dem Krieg verübten.

Oli Krampitz rollt Teig und Füllung zum Strudel © CF

Im ZeitZeichen kommen zu Wort: die Geschichtsprofessorin Marie-Janine Calic und Christian Levy (Ihr Name ist ein Pseudonym. Ihren wirklichen Namen behält sie für sich).

Oli Krampitz bäckt den Strudel aus dem Kochbuch von Sarah Wiener. Und die Gäste schwelgen in der durchaus ambivalenten Jugo-Nostalgie.

Lidija Mihalj © Privat

Die kroatischen Originaltexte spricht Lidija Mihalj.

LITERATUR

Calic, Marie-Janine: Tito. Der ewige Partisan. Verlag C.H. Beck. München 2020

Calic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens. Verlag C.H. Beck. München 2018

Goldstein, Slavko: 1941. Das Jahr, das nicht vergeht. Die Saat des Hasses auf dem Balkan. Aus dem Kroatischen: Marica Bodrožić. (Godina koja se vraća) S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2018

Wiener, Sarah: 1969. Josip Broz Tito. Der Topfenstrudel, den der jugoslawische Staats-Chef der Schauspielerin Sophia Loren servierte. IN: Gerichte, die die Welt veränderten. S. 209-216). Edition a. Wien 2018