Friedenskirche in Monheim/ Rhein

Betonplastik aus Polygonen

WDR 3, Mosaik, 14.12.2022, 8 Uhr

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An der linken Ecke der Betonfassade ist ein Fenster eingeschnitten, das um die Ecke läuft. Über dem Fenster ist ein polygonaler Vorsprung, in dem eine Lampe eingelassen ist.
Halterung fürs Fassadenlicht © CF

Die evangelische Friedenskirche in Monheim-Baumberg ist ein Kunstwerk der Nachkriegsmoderne. Béton brut, also roher Beton. Kein Putz, kein Glanz, keine glatten Flächen. Im Gegenteil.

Der Ausschnitt der Betonfassade zeigt den Abdruck der Holzmaserung nebst Astlöchern auf der Betonoberfläche
Astlöcher der Schalungsbretter © CF

Auf der Haut spiegelt sich der Entstehungsprozess, als der frische Beton in einer Holzverschalung erkaltet. Seither trägt der Bau Astlöcher in seiner Fassade wie Tattoos. 

Der Gebäudekomplex besteht aus verschiedenen Sichtbeton-Polygonen mit klar definierten Fenstern und einem hohen Turm.
Friedenskirche: Blick von der Nordseite aus. Vergitterung und Kupferdach stammen aus späterer Zeit. Sie verändern den Charakter der Architektur © CF

Der Komplex aus Polygonen ist typisch für den sogenannten Brutalismus, einen der umstrittensten Architekturstile ever. Gäbe es einen Volksentscheid über den Abriss jener Bauten, dann wäre klar: diese Bunker müssen weg. Sei es die Ruhr-Uni in Bochum, die vielen Betonkirchen in ganz NRW oder das Rathaus in Marl. 

Beton ist aus der Fassade geplatzt und legt die Monierenden frei, die rosten
SOS: Wenn die Rippen rosten, dehnen sie sich aus und sprengen den Beton weg © CF

Vielleicht führt der Begriff in die Irre: Brutalismus. Aber brutalistische Bauten sind alles andere als brutal. Sie sind Béton Brut, roher Beton eben. Vielleicht schreckt der Baustoff ab, weil er an Krieg erinnert. Dabei ist er wie geschaffen für die Kunst. Eine formbare Masse.

Die Druntersicht zeigt einen Betonquader, der innen hohl ist und eine Glühbirne trägt
Jedes Detail ist durchgeplant © CF

Beton ist für den Schweizer Bildhauer Walter Maria Förderer genau das richtige Material, um seine begehbare Skulptur zu entwerfen. 

Ein gestufter Betonvorsprung vor der Innenwand des Kirchenraums, die violett angestrahlt wird
Bildhauerarbeit: Spiel mit Vorsprüngen, Aussparungen, Einlassungen © CF

1974 feiert der Komplex aus Gottesdienstraum, Gemeindezentrum und Glockenturm Eröffnung.

Drei Glocken in einem Eisengestell
Vater, Sohn und Heilig Geist © CF

Zehn Jahre später werden in den 23 Meter hohen Turm drei Glocken gehängt und das ausladende Gebirge mit einem Namen bedacht: Friedenskirche.

Domkapellmeister Christian Heiß steht im Profil zur Betrachterin. Er schaut Richtung rechten Bildrand. Er hält beide Arme vor sich und dirigiert die Regensburger Domspatzen, die nicht im Bild sind.
Probe im Kirchensaal: Christian Heiß (Domkapellmeister in Regensburg) leitet die Regensburger Domspitzen an © CF

Inzwischen feiert der Brutalismus ein zartes Comeback.

Eine Rose mit orangefarbenen Rosen wächst vor einer Betonaußenwand
© CF

Die Monheimer Kulturwerke zum Beispiel nutzen den Raum für Theateraufführungen und Konzerte wie das der Regensburger Domspatzen.

Pfarrer Malte Würzbach steht frontal zur Kamera und lächelt. Seine linke Hand lehnt er an einer Eisenstrebe des Glockenstuhls
Im Glockenstuhl: Malte Würzbach © CF

Pfarrer Malte Würzbach und Küster Frank Langrock arbeiten gern hinter den Fassaden des ungewöhnlichen Baus inmitten einer Einfamilienhaus-Siedlung. 

Von einem Betonboden führen Betonstufen nach oben, wie in einem Amphitheater. Links im Bild sind Treppenstufen. Auf einer der Betonbänke sitzt Thorsten Scheer in der Totale und schaut nach oben. Am oberen Bildrand sind die Stämme einer Baumreihe zu sehen.
Im Amphitheater an der Nordseite des Kirchkomplexes: Thorsten Scheer sitzt auf Béton Brut. © CF

Mit Thorsten Scheer schlendere ich durch die vielen Ebenen der Kirche. Der Kunsthistoriker beschreibt die Friedenskirche als eine Plastik, in der Beton seine ästhetischen Qualitäten zeigt und nicht bloße Funktion darstellt. 

Zwei Pfeile, die in die Betondecke geschnitten sind, durch die indirektes Licht fällt
Symbole in der Kirchendecke © CF

Seit 2019 steht die Friedenskirche unter Denkmalschutz. Endlich. Denn Beton ist alles andere als betonhart. 

Münster Frank Langrock lehnt im Halbprofil an einer Betonmauer im Kirchraum, Brille in der Hand.
Im Kirchensaal: Frank Langrock © CF

Friedenskirche

Schellingstraße 13/ 40789 Monheim am Rhein

Pfarrer: Malte Würzbach/ Küster: Frank Langrock

Großaufnahme von Thorsten Scheer, der frontal ins Bild schaut. Er steht vor einer Betonwand.
An der Fassade: Thorsten Scheer © CF

Thorsten Scheer

Prof. für Kunstgeschichte an der Uni Düsseldorf

Blick vom Glockenturm aus, durch zwei Betonstreben in die Totale: Monheim am Rhein. Das Bild wird von oben und unten durch die Betonstreben begrenzt.
Blick aus dem Dachstuhlfenster © CF

Baukunst NRW: Friedenskirche Monheim am Rhein

Ein horizontaler Betonbalken und vertikale Kupferstreben, wobei die Kupferstreben unscharf sind und der Betonvorsprung scharf ist, also im Vordergrund liegt.
Die ursprüngliche Betondecke wurde später durch ein Kupferdach ersetzt © CF
Blick vom Fenster auf das Kupferdach. Oben wird das Bild durch einen Betonvorsprung begrenzt.
© CF

Monheimer Kulturwerke

Im Gottesdienstraum stehen die Regensburger Domspatzen und er Totale frontal zur Kamera. Mit dem Rücken zur Betrachterin steht der Chorleiter. Die Fassade bildet eine Betonwand, die an den Seiten violett angestrahlt wird. Aus dem oberen Bildrand ragt ein Herrnhuter Stern mit vielen Zacken.
Regensburger Domspatzen bei der Probe © CF

Regensburger Domspatzen

Domkapellmeister Christian Heiß

Mein eigener Schattenriss an der Betonwand, die lila angestrahlt wird. Ich halte eine Kamera in der linken Hand und schaue Richtung linken Bildrand.
Transzendenz © CF
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